02.02.21 / 19 Uhr
Ob die DDR ein „antisemitischer Staat“ gewesen sei, ist bis heute Gegenstand kontroverser und emotional geführter Diskussionen. Sowohl pauschale Verurteilungen als auch pauschale Entlastungen sind jedoch oft geschichtspolitisch motiviert und zielen am Kern der Sache – einer analytisch begründeten Kritik des Antisemitismus in der DDR – vorbei. Vor dem Hintergrund anhaltender antisemitischer Ressentiments in Teilen des linken Spektrums ist eine differenzierte, kritische Aufarbeitung der „linken“ Geschichte und ihrer Ideologeme wichtiger denn je.Im Vortrag soll gezeigt werden, dass sich antisemitische Ressentiments in der DDR aus zweierleiideologischen Quellen speisten: Zum einen war in der staatstragenden Ideologie des Marxismus-Leninismus und dem damit einhergehenden Antiimperialismus eine Nähe zu antisemitischen Denkmustern angelegt. Zum anderen verbanden sich diese strukturell antisemitischen Denkfiguren mit nicht aufgearbeiteten, verdrängten und daher fortwirkenden antisemitischen Ressentiments der nachnationalsozialistischen (ost-)deutschen Gesellschaft. Vor dem Hintergrund dieses „doppelten“ Einfallstor für Judenhass fragt der Vortrag auch nach den Nachwirkungen dieser Denkmuster im heutigen Ostdeutschland.
Dr. Anja Thiele ist Literaturwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena. Sie promovierte in Jena über die Shoah in der Literatur der DDR und forscht schwerpunktmäßig zu den Themen Antisemitismus und Erinnerungskultur.
Diese Veranstaltung ist Teil der Reihe “Feindaufklärung. Moderne Formen des Antisemitismus”, die von den Falken Jena und dem Jungen Forum DIG Jena organisiert wird. Den Zugang zur Veranstaltung teilen wir am Nachmittag davor in der Facebook Veranstaltung.