Roter Salon: Die Liebe zur Herrschaft

Unser nächster Roter Salon beschäftigt sich mit dem Thema Polyamorie:

Die monogame Zweierbeziehung, sowie die zum Tauschverhältnis institutionalisierte Ehe, waren immer ein Gegenstand einer an Emanzipation ausgerichteten, feministischen Kritik. Seit einigen Jahren entwickeln sich reichlich Gegenentwürfe, die eine freie Liebesbeziehung ermöglichen sollen. Vergangenes Jahr feierte die Polyamorie mit zahlreichen Dokumentationen und Zeitungsartikeln ein mediales Revival. In den Sozial- und Verhaltenswissenschaften wird die Polyamorie immer häufiger als Forschungsgegenstand entdeckt. Nicht selten sind diese Beiträge allerdings einseitig positiv, sodass bspw. Volkmar Sigusch voller Emphase die Polyamorie als Beziehung beschreibt für die „Geschlechtszugehörigkeit der Beteiligten […] ebenso unbedeutend [ist] wie der Umstand, ob Sexualität stattfindet oder nicht“. Da Geschlecht in einigen polyamoren Kreisen als gänzlich überwunden erscheint, gerät eine kritische Auseinandersetzung von Geschlecht und Beziehung häufig aus dem Blickfeld.

Wir wollen uns schließlich anhand einer materialistischen und psychoanalytischen Kritik der Polyamorie als positives Modell im Allgemeinen, sowie ihrer Männlichkeit im Besonderen, die Frage stellen, wo die Fallstricke einer positiv bestimmten Form von Beziehung liegen, was an der Polyamorie erhaltenswert ist und wie eine emanzipative Beziehungsform aussehen könnte. In den Fokus der Betrachtung soll dabei ein Verhältnis von kapitalistischer Vergesellschaftung und Männlichkeit geraten, welches die Polyamorie als affirmatives Modell der Selbsterhaltung beschreibt. Somit soll gezeigt werden, dass die Polyamorie ein von den bestehenden Verhältnissen beeinflusstes, instrumentelles, selbstoptimierendes und somit leistungssteigerndes Modell ist, welches die Maßgaben von Kalkulierbarkeit, Effizienz und Vereinheitlichung aus dem Produktionsprozess auf die intimsten Beziehungen überträgt. Schlussendlich soll auf die These hingearbeitet werden, dass sich eine bestimmte Form polyamorer Männlichkeit als polyamorer Odysseus beschreiben lässt.

Montag, 22. Juli 2019 ab 19 Uhr im Wohni.

Kritik der Konsumkritik

Die dritte Veranstaltung folgt sogleich. Heute Abend wollen wir uns mit Konsumkritik auseinandersetzen. „Den Kern des Vortrags bildet die Frage danach, ob/inwiefern die Konsumkritik einer emanzipatorischen Aufhebung der Verhältnisse entgegensteht.“ (17.07.19 CZS 3/SR 317, 19Uhr)

– – –

Kritik der Konsumkritik.

Konsumkritik ist seit den 80er Jahren verankert in linken, sowie in rechten Strukturen und fand jüngst Einzug in das links-liberale Bewusstsein, in Werbung – in die Verhandlung des öffentlichen Diskurses.

»Vegetarismus gegen den Klimawandel« oder »Kleiner ökologischer Fußabdruck, statt großeKrise« sind bekannte Slogans. Die ReferentInnen werden zunächst versuchen, das breite Feld der Konsumkritik als Gegenstand greifbar zu machen, in dem sie Beispiele von konsumkritischen Praxen in unterschiedlichsten Sphären nennen und diese auf gemeinsame Mechanismen und ideologische Grundmomente untersuchen. Den Kern des Vortrags bildet die Frage danach, ob/inwiefern die Konsumkritik einer emanzipatorischen Aufhebung der Verhältnisse entgegensteht.“

https://www.facebook.com/events/621941248310624/

Solidarität mit den quälbaren Körpern

Wir möchten an unsere Veranstaltung heute Abend erinnern (16.07.19 CZS 3/SR 317 um 19 Uhr): „Solidarität mit den quälbaren Körpern. Eine materialistische Kritik des Mensch-Tier-Verhältnisses“ mit Thomas Krüger.

Dies ist die zweite Veranstaltung im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „Alle reden übers Wetter. Wir auch.

“ […] Der Vortrag exemplifiziert den Widerstreit zwischen Idealismus und Materialismus am Mensch-Tier-Verhältnis. Die Beziehung von Menschen und Tieren wird nicht zuletzt durch die gesellschaftliche Waren- und Rechtsform vermittelt. Es soll gezeigt werden, dass eine materialistische Kritik der Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen und Tieren die leiblichen und mentalen Qualitäten leidens- und bewusstseinsfähiger Lebewesen und damit den Begriff des Glücks in den Mittelpunkt stellen muss. Die Annahme, dass der Schmerz alle kategorialen Unterschiede zwischen Menschen und Tieren einebnet und das ganze Leben derer aufsaugt, die er ergriffen hat, mündet in einem Plädoyer für die Solidarität mit den quälbaren Körpern.“

https://www.facebook.com/events/480339362728190/

Nichts ist in Ordnung.

Am 10.07.19 haben die Falken Jena eine Kundgebung am Holzmarkt zum Tod Walter Lübckes und gegen rechte Gewalt verantstaltet. Im Folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag:

Liebe Anwesende, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

am 02. Juni – also vor knapp 5 Wochen – wurde der amtierende Kassler Regierungschef Walter Lübcke auf der Terrasse seiner Wohnung durch einen Kopfschuss hingerichtet. Sein Mörder war, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, der Neonazi Stephan Ernst[1]. Wir sind heute hier zusammengekommen, denn wir trauern um den Verlust, den die Angehörigen und die Familie von Walter Lübcke erlitten haben. Er ist ein weiteres der zahlreichen Todesopfer des rechten Terrors in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist einer von mindestens 184 Menschen, die allein seit 1990 in Deutschland von Neonazis getötet wurden[2]. Die Tat stellt auf einer Seite eine Zäsur dar, da sie an einem Repräsentanten des Staates verübt wurde. Sie reiht sich gleichzeitig nahtlos in eine Kontinuität des rechten Terrors ein.

Im Visier rechter AkteurInnen stand Lübcke spätestens seitdem er im Jahr 2015 bei einer Bürgerversammlung den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete verteidigte. Er sprach dabei von Werten und sagte: „Wer diese Werte nicht vertritt, hat die Freiheit, dieses Land zu verlassen.” Dies, so Lübcke, sei die Freiheit eines jeden Deutschen[3]. Lübcke erntete für diese Aussage bereits im Saal der Bürgersammlung Buh-Rufe. Nach der Versammlung brach sich die rechte Hetze in sozialen Netzwerken ungefiltert Bahn und wurde durch verschiedene Politikerinnen und Politiker befeuert. Das rechte Portal Politically-Incorrect-News (PI) verbreitete seine Kontaktdaten und Privatadresse. Der Autor Akif Pirinçci nahm Lübckes Äußerung in einer Rede bei PEGIDA als Beispiel für die vermeintliche Ignoranz „der Macht“ gegenüber „dem eigenen Volk“. Lübcke erhielt zahlreiche Morddrohungen und stand zwischenzeitlich unter Polizeischutz[4].

Der Mörder von Walter Lübcke, Stephan Ernst, gehörte zum Umfeld der hessischen NPD und den Autonomen Nationalisten und war bereits mehrfach aufgrund von rassistisch motivierten Gewaltdelikten vorbestraft, u.a. wegen eines versuchten Anschlags auf eine Unterkunft für Geflüchtete mit einer Rohrbombe im Jahr 1993[5]. Nachdem es bislang hieß, dass Stephan Ernst seit 2009 dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht mehr als aktiver Neonazi aufgefallen wäre, liegen nun neue Erkenntnisse darüber vor, dass Ernst noch 2011 Mitglied des neuheidnischen und neonazistischen Vereins “Artgemeinschaft” war[6]. Zudem gibt es Indizien, dass Stephan Ernst Kontakte zum deutschen Ableger des aus Großbritannien stammenden Neonazinetzwerkes Combat 18 pflegte, das sich selbst als »Terrormaschine« der militanten Neonaziszene bezeichnet[7].

Ob Stephan Ernst Einzeltäter war, ist keine Frage, die sich stellt. Dies ist gänzlich unabhängig davon, ob im weiteren Verlauf der Ermittlungen festgestellt werden kann, dass er für die konkrete Tat Unterstützung erhielt. Eine Tat wie die von Stephan Ernst bedarf der vorausgehenden Konstruktion eines Weltbildes, die sie legitimiert. Der Aufbau eines solchen Weltbildes erfolgt in den seltensten Fällen allein im stillen Kämmerlein, sondern ist Ergebnis rechtsterroristischer Strukturen und Organisation.

Diese wiederum entstehen nicht im luftleeren Raum. Sie sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas, das rechtsterroristische Anschläge und Morde seit Jahren ermöglicht und legitimiert. Mit diesem Klima hat nach dem Mord an Walter Lübcke kein Bruch stattgefunden. Obwohl wir diese Situation seit Jahren beobachten, haben uns einige der öffentlichen Statements, die nach dem Mord abgegeben wurden, in besonderer Weise fassungslos und wütend zugleich zurückgelassen.

Genannt sei z.B. die Aussage des Bundestagsabgeordnete der AfD Martin Hohmann. Dieser wies einem von der CDU und Angela Merkel befürworteten angeblichen “Massenzustrom an Migranten” die Schuld am Mord von Walter Lübcke zu[8]. Schützenhilfe bekam er dafür vom neuen Präsidenten des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang. Er leugnete jegliche Verantwortung seiner eigenen Behörde und gab gleichzeitig zu bedenken, dass die Ursachen für das Erstarken rechter Strukturen eher in der Flüchtlings- und Migrationspolitik zu suchen seien[9].

Der sächsische CDU-Parteikollege von Walter Lübcke, Michael Kretschmar schaffte es in Bezug auf die Tat vor einer vermeintlichen Gefahr vor links- und rechtsextremen Kräften zu warnen und berief sich auf einen “gesunden Patriotismus”, den alle Deutschen miteinander leben würden und den er für völlig normal halte[10].

Die Gleichsetzung einer vermeintlichen, aber faktisch nicht vorhandenen tödlichen Bedrohung durch linke Kräfte und der von Rechts-Terroristen verübten Morde und Anschläge, schafft eine groteske Relativierung der Ereignisse. Die Berufung auf einen “gesunden Patriotismus”, den nur die Ränder des politischen Spektrums nicht teilen würden, leugnet jegliche gesellschaftliche Verantwortung für die Tat.

Der “gesunde Patriotismus”, von dem Kretschmar redet, drückt sich währenddessen darin aus, dass laut der Leipziger Mitte-Studie über die Hälfte der Deutschen die Bundesrepublik in einem gefährlichen Maß für überfremdet halten und über ein Viertel der Befragten finden, dass die Darstellung der Verbrechen des Nationalsozialismus in der Geschichtsschreibung weit übertrieben sei[11]. Dies zeigt, wie wenig irgendetwas in diesem Land als “gesund” bezeichnet werden kann.

Das Verhalten der CDU und ihres Abgeordneten macht im Endeffekt vor allem deutlich, wie schlimm die Lage wirklich ist. Denn diese Stimmung in der eigenen WählerInnenschaft ist es, die es opportun macht – nachdem ein Parteikollege hingerichtet wurde – weiter nach rechts zu rücken, statt eine konsequente Aufklärung und Zerschlagung rechtsterroristischer Netzwerke zu forcieren.

Die hämischen Kommentare in den sozialen Medien, über den Mord an Walter Lübcke sowie die zahlreichen weiteren Morddrohungen, die inzwischen bei Politikerinnen und Politikern eingegangen sind[12], sind ein Ausdruck weiterer verbaler Enthemmung. Diese Kommentare zielen auf Einschüchterung und Bedrohung und wir wollen heute einräumen: ja, diese Umstände machen uns Angst. Unsere Wut über die Verhältnisse, mit der die Trauer im Fall von Walter Lübcke gemischt ist, bleibt angesichts dieser Zustände in Deutschland ohnmächtig.

Auch das breite Wissen über rechte Netzwerke, das von Strukturen wie NSU-Watch, Der rechte Rand, Exif, u.a. erarbeitet wurde, bleibt aufgrund gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse politisch weitestgehend konsequenzlos.

Der Unerträglichkeit dieser Situation möchten wir heute Ausdruck verleihen. Sie ist der Grund für unsere Ohnmacht und Verzweiflung und sie ist gleichzeitig der Grund, warum wir nicht aufhören können, gegen diese Zustände vorzugehen. Teil dieser Unerträglichkeit ist es nicht zuletzt, dass uns, aufgrund der stetig neuen hasserfüllten Kommentare sowie grotesken und zynischen Statements zum Mord an Walter Lübcke, jeglicher Moment des Innehaltens genommen wird.

Dieser Situation können wir auch mit der heutigen Kundgebung nicht viel entgegensetzen. Deshalb bleibt uns heute nichts anderes übrig, als unserer Wut und Trauer allein dadurch Ausdruck zu verleihen, die gesellschaftliche Situation, die Morde wie den an Walter Lübcke tagtäglich ermöglicht, zu skandalisieren. Da uns ein Moment des Eingedenkens vor diesen Umständen kaum möglich erscheint, möchten wir diese Veranstaltung ohne eine symbolische Schweigeminute beenden. Wir möchten jedoch im Anschluss an diesen Redebeitrag das Angebot machen, sich mit den Umstehenden und Teilnehmenden auszutauschen.

Zu diesem Zweck werden wir die Kundgebung noch eine Weile aufrechterhalten.


[1]https://www.hessenschau.de/politik/stephan-ernst-hat-mord-an-luebcke-gestanden,luebcke-mord-gestaendnis-100.html

[2]https://opfer-rechter-gewalt.de

[3]https://www.youtube.com/watch?time_continue=2&v=KdnLSC2hy9E

[4]https://taz.de/Drohungen-gegen-Walter-Luebcke/!5604270/

[5]https://exif-recherche.org/?p=6218

[6]https://www.welt.de/politik/deutschland/article196039643/Mordfall-Luebcke-Taeter-tauchte-noch-2011-im-Umfeld-von-Neonazi-Truppe-auf.html

[7]https://exif-recherche.org/?p=6284

[8]https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/afd-abgeordneter-sieht-cdu-mitschuld-am-tod-luebckes-16253407.html

[9]https://www.zdf.de/nachrichten/zdfspezial/zdf-spezial—mordfall-luebcke–waffenfunde-und-weitere-verhaftungen-clip-4-100.html

[10] https://twitter.com/cdusachsen/status/1140950916763475968

[11]https://www.boell.de/sites/default/files/leipziger_autoritarismus-studie_2018_-_flucht_ins_autoritaere_.pdf?dimension1=ds_leipziger_studie

[12]https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/seehofer-zu-fall-luebcke-anschlag-gegen-uns-alle-gerichtet-16242608.html

Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen.

Heute (09.07.19) beginnt unsere Veranstaltungreihe Alle reden übers Wetter. Wir auch.

Auftakt bildet die Veranstaltung „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen.“ mit Lothar Galow-Bergemann (19Uhr/CZS 3 SR 317). Es geht um die Frage, warum „unsere Wirtschaft“ einen vernünftigen Umgang mit der Umwelt verhindert.

Alle sind für Klimaschutz, aber die globale Erwärmung nimmt
unaufhörlich zu. Alle sind für soziale Gerechtigkeit, aber KinderundAltersarmut wachsen. Alle wünschen sich mehr freie Zeit zum Leben, aber müssen immer mehr und länger arbeiten. Niemand will die Krise, aber keiner kriegt sie in den Griff. Wunsch und Wirklichkeit gehen weit auseinander, weil das herrschende Wirtschaftssystem grundsätzliche Konstruktionsfehler hat. Es beruht auf dem Zwang zu ewigem Wachstum und maximalem Profit. Gegen den Kapitalismus sind viele. Aber haben sie auch etwas von dem verstanden, was ihm den Namen gibt – vom Kapital?

Der Vortrag beleuchtet grundlegende Funktionsweisen
des Kapitalismus und wirft auch einen kritischen Blick auf gut
gemeinte „Alternativvorschläge“, die regelmäßig an der Funktionsweise „unserer Wirtschaft“ scheitern. Will man eine bessere Welt schaffen, muss man erst einmal verstehen, wie die jetzige tickt.

https://www.facebook.com/events/437933727045537

– – –

Für alle, die leider nicht an unserer Veranstaltungsreihe in den vergangenen Wochen teilnehmen konnten, gibt es einen Audiomitschnitt des Vortrags von Lothar Galow-Bergemann zur Frage »Warum wir mit „unserer Wirtschaft“ nie eine nachhaltige Gesellschaft erreichen werden«:

http://emafrie.de/audio-wer-vom-kapitalismus-nicht-reden-w…/

Viel Spaß beim Anhören!


Kundgebung zum Mord an Walter Lübcke

Am 2. Juni wurde Walther Lübcke wohl von einem hessischen Neonazi ermordet. Nach allem was bislang bekannt ist, traf es Walther Lübcke deswegen, weil er sich öffentlich gegen die menschenverachtende Rhetorik großer Teile der Bevölkerung gestellt hat. Es ist für uns kein neues Phänomen, dass Neonazis dazu bereit sind, auch die Menschen, die sie als politische Gegner*innen identifizieren, zu ermorden. Nichts desto trotz halten wir es für einen Skandal, dass in Deutschland weiterhin Menschen von Neonazis ermordet werden.

Aus diesem Grund rufen wir dazu auf, heute am 10.07.2019 um 16.00 Uhr am Holzmarkt an einer Kundgebung teilzunehmen. Kommt vorbei!

https://www.facebook.com/events/332558317699379/

Am 25. Mai alle auf nach Annaberg / Buchholz!

Am 25. Mai werden wieder christliche Fundamentalist*innen und andere rechte Abtreibungsgegner*innen in Annaberg/Buchholz aufmarschieren. Als sogenannter „Schweigemarsch für das Leben“ versammeln sich Sexist*innen unterschiedlicher politischer Coleur mit dem Ziel, das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper von Frauen und Transpersonen noch weiter einzuschränken.
Wir werden das nicht hinnehmen! Es gilt, ihnen auch in diesem Jahr den Tag ordentlich zu versauen. Aber dabei kann es für uns nicht enden. Immer noch ist auch in Deutschland für Frauen und Transpersonen die Situation von Schwangerschaftsabbrüchen enorm prekär und Abtreibungen noch immer nur unter großen Einschränkungen möglich und lediglich „entkriminalisiert“. Es ist eine Zumutung, dass uns dieses elementare Recht, über den eigenen Körper entscheiden zu können, noch immer abgesprochen wird! Es ist eine Zumutung, darüber immer noch reden zu müssen. Scheiße, wir sind sauer!
Darum fahrt mit uns gemeinsam am 25.5.2019 nach Annaberg/Buchholz und lasst uns unseren Protest auf die Straße tragen! Gegen Fundis, Nazis und andere Sexist*innen! Und für eine feministische und selbstbestimmte Perspektive!

Wir fordern: Die Abschaffung von § 218 StGB! Abtreibungen müssen legal, kostenlos und sicher sein!

Informationsfreiheit umsetzen! Es muss möglich sein, öffentlich über Abtreibungsmöglichkeiten aufzukären! §219a StGB abschaffen!

Inklusion leben! Für eine Gesellschaft, in der es keine Rolle spielt, ob ein Kind mit oder ohne Behinderung auf die Welt kommt!

Die Gleichberechtigung aller sexuellen Lebensweisen und geschlechtlichen Identitäten!

Weltweiten kostenlosen Zugang zu Aufklärung über den menschlichen Körper und Sexualität, sowie Verhütungsmitteln! Wir werden gemeinsam mit PKWs anreisen. Treffpunkt geben wir im Vorfeld nochmals per E-Mail bekannt. Damit wir kalkulieren können, möchten wir Euch bitten, Euch im Vorfeld unter der untenstehenden E-Mail-Adresse der Falken Jena zu melden. Gegebenenfalls auch, ob Ihr mit einem PKW hin fahren würdet.

Pro Choice Jena

E-Mail bitte an die folgende Adresse:
info@falken-jena.de

Weitere Infos zum Program vor Ort findet Ihr hier:
https://schweigemarsch-stoppen.de/

Heraus zum 1. Mai!

Der 1. Mai ist wichtiger Bezugspunkt der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung.

Am 1. Mai 1886 begann in Chicago ein Streik gegen den 12-Stunden-Tag und schlechte Löhne. Der mehrtägige Streik mündete im sogenannten ‚Haymarket Riot‘, wo bei Auseinandersetzungen Streikende von der Polizei erschossen wurden. Seitdem ist der 1. Mai weltweit Kampftag der Arbeiter*innen für ihre Rechte. Auch wir Falken tragen an diesem internationalen Tag unsere Kritik und Forderungen auf die Straße. Gleichzeitig erteilen wir völkischen Nationalisten eine klare Absage. Denn sowohl in der Vergangenheit, als auch heute versuchen alte und neue Rechte diesen Tag für sich in Anspruch zu nehmen. Anstatt aber diesen Tag als einen internationalen zu begehen, sehen sie ihn als Tag der ‚nationalen Arbeit‘. Es waren die Nationalsozialisten, die zynisch 1933 den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag erklärten und am Tag darauf die Gewerkschaftsorganisationen der Arbeiter*innenbewegung zerschlugen und ihre Aktivist*innen ermordeten und in Konzentrationslager sperrten. Auch daran wollen wir erinnern und unterstreichen: Der 1. Mai ist international, nicht national.

Wir setzten uns ein für die Selbstorganisation der Lohnabhängigen. Anstatt Menschen verschiedener Herkunft gegeneinander auszuspielen fordern wir Solidarität ein. Denn nur gemeinsam können wir uns neoliberaler und völkischer Politik erwehren. Obwohl fast alle Chefs der ostdeutschen AfD-Landesverbände und auch ihr Chefideologe aus Westdeutschland kommen – Höcke aus Hessen, Kalbitz aus Bayern, Reichardt aus Niedersachsen, Kubitscheck aus Baden-Württemberg – appellieren sie an eine diffuse ‚Ostidentität‘. Sie wollen sich ‚westdeutschen Verhältnissen‘ erwehren, verklären die angebliche ethnische Einheitlichkeit Ostdeutschlands zum Fortschritt und versuchen die ‚Revolutionserfahrung‘ von 1989/90 für ihre Zwecke zu mobilisieren. Deshalb:

Statt nationalistischem Identitätsgemacker gegen Führer und Gefolgschaft! Gemeinsam solidarisch die soziale Frage stellen und entschlossen eigene Forderungen durchsetzen! 

Seit ihrer Gründung 2013 hat die AfD eine beachtliche Parteikarriere hingelegt: In den vergangenen Jahren ist es ihr gelungen, in alle Landesparlamente und auch in den Bundestag einzuziehen. Dabei hat sich die AfD seit ihrer Gründung kontinuierlich radikalisiert. Treibende Kraft dahinter ist Bernd Höcke mit seiner eigenen, seit 2015 aktiven innerparteilichen Propagandaplattform ‚Der Flügel‘. Inzwischen dominiert dieser Kreis vor allem die ostdeutschen Landesverbände und war maßgeblich für beide Parteispaltungen der AfD verantwortlich: 2015 wurden Bernd Lucke und 2017 Frauke Petry als Parteivorsitzende verdrängt. Hintergrund ist Höckes Ziel die AfD einerseits als Bewegungspartei auszurichten, also statt parlamentarische Partei zu sein auch eine Bewegung auf der Straße zu haben. Das bedeutet beispielsweise den organisierten Schulterschluss mit Pegida in Dresden zu vollziehen. Andererseits geht es ihm darum, die AfD als völkisch-nationalistische Partei festzulegen, also im Kern rassistische Politik zu betreiben. Die AfD will Politik für ‚das deutsche Volk‘ machen. Das ist für sie nicht identisch mit den hier lebenden Menschen, nicht einmal mit den in Deutschland wahlberechtigten Menschen. Was Deutsch ist, ist für ‚den Flügel‘ eine Frage des biologischen und kulturellen Stammbaums.

Als ideologischer Think-Tank und Funktionärsschmiede dient dem Kreis um Höcke vor allem das ‚Institut für Staatspolitik‘ (IfS) von Götz Kubitscheck. Die dem Selbstverständnis nach ‚Intellektuellen der Neuen Rechten‘ sind ideologisch der ‚konservativen Revolution‘ der 20er Jahre verpflichtet. Diese ideologische Strömung war der gedankliche und politische Steigbügelhalter des Nationalsozialismus. Stichwortgeber dieses Denkens sind Armin Mohler, der sich selbst als Faschist bezeichnete, oder der Franzose Alain De Benoist, dessen politische Karriere in militant-faschistischen Kleingruppen begann. Es verwunderte also kein bisschen, als Höcke und Konsorten am 1. September 2018 in Chemnitz den offenen Schulterschluss mit Neonazis demonstrierten – weit über die Szenegrenzen Sachsens hinaus. Wer meint, die AfD noch in einen ‚neoliberalen‘ und ‚nationalen‘ Flügel ausdifferenzieren zu müssen, muss enttäuscht werden. Personenbezogen gibt es zwar graduelle Abstufungen, aber der Gesamtcharakter der Partei wurde in Chemnitz demonstriert.  

Jetzt will sich die AfD und insbesondere Höckes ‚Flügel‘ der Sozialpolitik widmen. Was bedeutet das? Andreas Kalbitz, AfD-Chef in Brandenburg und Höckes rechte Hand im ‚Flügel‘, hielt darüber 2018 eine Rede im IfS. Er sieht ethnisch definierte Deutsche als Adressat*innen von Sozialpolitik, die Werkzeug zum „Erhalt der autochthonen Struktur unserer Gesellschaft“ sein müsse mit dem Ziel „eine weitestgehende Homogenität der autochthonen Bevölkerung“ herzustellen. In einem Satz: Sozialpolitik müsse der Reinheit des ‚deutschen Volksköpers‘ dienen. AfD-Sozialpolitik fragt nicht nach den sozialen Zumutungen und Härten die konkrete Menschen – also Dich – betreffen, sondern nach den Stellschrauben für eine einheitliche, gleichartige Gemeinschaft.

Wie diese völkische Gemeinschaft strukturiert sein soll, demonstrieren die Schwerpunkte dieser Sozialpolitik. Kalbitz betrachtet Familien und Kinder „als wichtigste Ansatzpunkte für den Erhalt unseres Landes und auch unseres Volkes.“ Mal ganz abgesehen davon, dass es in erster Linie um ethnisch-deutsche Familien geht, drückt sich hier eine patriarchale Gemeinschaftsvorstellung aus. Es geht ausschließlich um ‚klassische Familien‘, in denen Frauen den Haushalt und die Kinderbetreuung übernehmen, die Männer der Lohnarbeit nachgehen. Alleinerziehenden oder gleichgeschlechtlichen Eltern haben sie folgerichtig nichts anzubieten. Durch die Ersetzung von Sozialpolitik durch Volkstumspolitik ist es auch nur konsequent keine inhaltliche Arbeiter*innenpolitik zu verfolgen. In den vergangenen Jahren trat der Thüringer Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl, ebenfalls Höcke-Vertrauter, mit seinem ‚Alternative Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland‘ medienwirksam in Erscheinung. Das als ‚alternative Gewerkschaft‘ angepriesene Propagandaprodukt wollte im vergangenen Jahr mit großem Pomp die Betriebsräte völkisch besetzen, allerdings trat ‚ALARM‘ nicht einmal zu den Wahlen an.

Oder die nationalistische Spartengewerkschaft ‚Zentrum Automobil‘, eng verzahnt mit der ‚Identitären Bewegung‘ und Kubitschecks ‚IfS‘. Ihr Hauptgegner sind nicht schlechte Arbeitsverhältnisse oder die Betriebsleitung, sondern die ‚Monopolgewerkschaften‘. Selbsterklärter Zweck ist der Einsatz für ‚Patrioten‘, letzten Endes also die Verteidigung rassistischer und nationalistischer Positionen im Betrieb. Diese Initiativen können weder inhaltlich noch organisatorisch etwas anbieten. Wie auch, die AfD bekämpft Tariflöhne.

Ein Blick ins Ausland lässt erahnen, was geschieht, wenn die AfD ihre Politik umsetzen kann. Ihre Geschwister im Geiste in Ungarn und Österreich machen es vor. In Ungarn ist es seit 2018 möglich bis zu 400 Überstunden pro Jahr leisten zu müssen, während sich Arbeitgebende für Ausgleich oder Auszahlung bis zu drei Jahre Zeit lassen können. Und das umgarnt von rassistischer und antisemitischer Rhetorik, Gängelung der Pressefreiheit, Beschneidung demokratischer Rechte und Kampf gegen freie Kultur. In Österreich erleichterte das Parlament 2018 nachhaltig die Rahmenbedingungen durch Arbeitgeber*innen den Arbeitstag wieder auf 12 Stunden auszudehnen.

In der organisch, also biologisch, gedachten Gemeinschaft haben Arme keinen Platz, genauso wie berufliche und körperliche Selbstbestimmung von Frauen*, individuelle Lebensentwürfe, kontroverse Kultur oder Menschen verschiedener Herkunft. Mit der AfD entledigt sich das Proletariat nicht seinen Ketten, sondern seinen nicht-deutschen Nachbarn. Die soziale Frage spannt sich nicht auf zwischen ‚Deutschen‘ und ‚Ausländern‘, ‚Produktiven‘ und ‚Parasiten‘. Sie entfaltet sich zwischen den Polen Arbeitgebende und Arbeitnehmende, zwischen Kapital und Arbeit. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass sich die soziale Frage nur gemeinsam, solidarisch anpacken lässt.

Wir sind Schüler*innen, Studierende und junge Erwerbstätige. Aus eigener Erfahrung und durch unsere Genoss*innen wissen wir, was es bedeutet, wenn anonyme Statistiken davon sprechen, dass in Deutschland Bildungschancen maßgeblich vom Einkommen des Elternhauses abhängen. Oder spätestens in der letzten Woche des Monats jeden Cent umdrehen zu müssen. Oder nach dem Studium nur selten Aussichten auf einen Job zu haben, für den man auch gelernt hat. Und wenn, sich meist von Befristung zu Befristung hangeln zu müssen. Zu wissen, als Frau* durchschnittlich schlechter entlohnt zu werden als Männer*, trotz gleicher Arbeit. Für Menstruationsartikel unverschämte 19 Prozent Luxussteuer zahlen zu müssen. Oder in Großstädten in kleinen WG-Zimmern zu wohnen oder gezwungen zu sein, an den Rand der Stadt zu ziehen. Die soziale Frage ist allgegenwärtig und betrifft all unsere Lebensbereiche. Welche Kleidung wir tragen, ob und wohin wir in den Urlaub fahren, in welche Schulen wir gehen, welche Lebensmittel wir konsumieren, welche Kulturangebote wir wahrnehmen und wo wir wohnen – all das wird erst eine Frage des individuellen Geschmacks, wenn wir es bezahlen können. Vollkommen egal, woher wir kommen.

Gegen diese sozialen Zumutungen organisieren wir uns gemeinsam. Den alltäglichen Ohnmachtserfahrungen setzen wir unsere Solidarität entgegen. Wir streiten für eine offene und solidarische Gesellschaft.

Darum ist es für uns klar, dass nur eine radikale Kritik und Praxis die Antwort auf die erfahrenen Zumutungen liefern kann. Es ist kein Zufall, dass eine ‚etablierte Mitte‘ mit ihren Antworten darauf immer wieder auf Standortnationalismus, Gerede vom ‚Heuschreckenkapitalismus‘ oder Bündnissen mit Sexist*innen zurück geworfen wird.

Wir erleben aber auch positive Beispiele. Eine der ersten großen politischen Niederlagen erlebten die Rechten in Polen, als ein riesiges feministisches Bündnis das geplante völlige Abtreibungsverbot kippte. Und auch die Diskussion der sozialen Frage bekommt wieder Substanz: Durch die Berliner Kampagne ‚DeutscheWohnen & Co enteignen!‘ wird von zehntausenden Menschen endlich wieder die Eigentumsfrage gestellt. Denn Wohneigentum und Eigentum an Produktionsmitteln ist nicht vom Himmel gefallen, sondern von Menschen gemacht und durchgesetzt. Die Eigentumsfrage ist deshalb notwendiger Bestandteil der sozialen Frage und stellt uns vor die Herausforderung zu diskutieren, wie wir uns eine solidarische Gesellschaft vorstellen.

Die soziale Frage ernsthaft zu stellen verlangt eine radikale Kritik der Gegenwart. Statt Zusammenzustehen gilt es solidarisch Voranzuschreiten.

www.falken-thueringen.de

Stellungnahme der Falken Jena zum Positionspapier „Keine Solidarität mit sogenannten ‚Lebensschützer*innen‘ und Sexist*innen

Liebe ehemalige Bewohner*innen der ‚Insel‘,

wir als Falken Jena haben Euer Positionspapier zum Anlass genommen, uns mit dem Umgang mit dem Projekt ‚Insel‘ innerhalb der linken Szene in Jena, unseren Bündnispartner*innen und uns selbst auseinanderzusetzen. Zwar gab es von unserer Gruppe aus keine offiziellen Solidaritätsbekundungen oder Kooperationen, jedoch haben wir in der Vergangenheit in Bündnissen mitgewirkt, welche etwa Räumlichkeiten der ‚Insel‘ für Veranstaltungen genutzt haben.

Wir erklären uns solidarisch mit den Betroffenen von Sexismus und Chauvinismus und distanzieren uns von Projekten, die durch die Art und Weise ihres Umgangs mit grenzüberschreitendem Verhalten solche Vorfälle begünstigen. Wir fordern die Bewohner*innen und Unterstützer*innen der ‚Insel‘ auf, sich damit auseinanderzusetzen, wie es dazu kommen konnte, dass Clemens L. trotz seines Verhaltens weiterhin in der ‚Insel‘ geduldet und unterstützt wird und diese als Pressesprecher nach außen vertreten kann. Währendessen wird die Kritik der Betroffenen und ihrer Unterstützer*innen delegitimiert und entwertet, um das vermeintlich emanzipatorische Projekt nicht zu gefährden. Vorfälle wie dieser sind kein Einzelfall, sondern passieren systematisch, wenn patriarchale Strukturen und Machtverhältnisse nicht sichtbar gemacht werden. Da dies leider auch innerhalb unserer Netzwerke vorkommt, fordern wir die Thematisierung dieser Unterdrückung und strukturellen Gewalt, um paternalistisches Verhalten nicht durch Ignoranz zu ermöglichen und zu reproduzieren. Denn sogenannte linke Freiräume und Projekte sind nur dann als solche zu bezeichnen, wenn sie an solch wichtigen Stellen nicht wegschauen!

Da es nicht bei einem Lippenbekenntnis bleiben soll, haben wir uns gruppenintern vorerst auf folgende Konsequenzen geeinigt: Keine Kooperation oder Solidarität mit dem Projekt ‚Insel‘, wir machen und unterstützen keine Veranstaltungen, die mit der ‚Insel‘ zusammenarbeiten. Des Weiteren wirken wir auch in Bündnissen darauf hin, dies nicht zu tun. Außerdem bieten wir denen unsere Unterstützung an, deren Interesse es ist, das Projekt ohne Clemens L. zu gestalten.

Wir fordern insbesondere andere linke Gruppen und Projekte in Jena auf, sich mit dem Vorfall um Clemens L. und seine Unterstützer*innen auseinanderzusetzen, bevor sie sich zu unreflektierten Solidaritätsbekundungen hinreißen lassen. Insbesondere deshalb, weil einige offenbar seit längerem über derartige Vorfälle Kenntnis hatten. Statt Clemens L.s Verhalten zu dulden und das Projekt ‚Insel‘ vorbehaltslos zu unterstützen – weil linke Freiräume an sich eine „gute Sache“ sind – fordern wir, den Vorfall endlich ernst zu nehmen, sich zu positionieren und mit den Betroffenen zu solidarisieren.

Falken Jena

Hier nochmals der Link zum ursprünglichen Beitrag, erschienen auf Indymedia: https://de.indymedia.org/node/30979

Alle reden über’s Wetter. Wir auch.

Hier nochmal der Redebeitrag, den unser Ökologie Arbeitskreis am Freitag beim Klimastreik in Jena gehalten hat, zum Nachlesen. Wir freuen uns über Anmerkungen, Lob und Kritik.

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Mitstreikende,

wir sind die Falken Jena. Wir freuen uns, wie viele Leute zusammengekommen sind, um gegen die fortschreitende Zerstörung der Natur ihre Stimme zu erheben. Wir sind beeindruckt, liebe Organisator*innen, was Schüler*innen hier in Jena, in Deutschland und international auf die Beine gestellt haben. Wir wollen den Alltagstrott zwischen Schule, Ausbildungsstätte und Universität nicht länger mitmachen, während ein Großteil der Gesellschaft dringende globale Probleme systematisch ignoriert. Mit diesem Streik unterbrechen wir symbolisch den Status quo, um darauf aufmerksam zu machen, dass es so wie bisher nicht weiter gehen soll.

Auf der einen Seite ist es wichtig, dass der Klimawandel thematisiert und vor allem Konsequenzen daraus gezogen werden. Gleichzeitig fällt uns häufig auf, dass die Art und Weise wie über globale Erwärmung gesprochen wird, einen vernünftigen Umgang damit erschwert.

Bei Debatten über den Klimawandel wird gerne auf eine Weltuntergangsrhetorik zurückgegriffen: Die Grundlagen für die bisherige Lebensweise gehen aus, Konflikte um Rohstoffe werden sich verschärfen, der Zusammenbruch unserer Zivilisation steht unmittelbar bevor. Die Vorstellung einer nahenden Apokalypse ist jedoch sowohl gefährlich als auch falsch.
Zum einen lassen sich dadurch menschenfeindliche Lösungsansätze legitimieren, wie autoritäre staatliche Eingriffe und antidemokratische Positionen. Diese waren war schon immer ein Einfallstor für rechte Ideen, die nicht mehr Mensch und Natur, sondern Volk und Heimat retten wollen.
Diese Rhetorik ist zudem ignorant, da sie bereits bestehendes Leid relativiert. Es wird keinen Tag X geben, an dem alles zusammenbricht. Vielmehr befinden wir uns bereits in einem langwierigen Prozess, welcher die Lebensverhältnisse von immer mehr Menschen drastisch verschlechtert. Die Katastrophe ist für viele Menschen schon heute der Normalzustand: Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich 150.000 Menschen an den fatalen Konsequenzen der globalen Erwärmung – die meisten von ihnen kommen aus dem globalen Süden.

Nicht nur dieses Beispiel zeigt, dass diese Gesellschaft von sozialen Spaltungslinien durchzogen ist. Wir erinnern uns an die Auseinandersetzungen um den Kohleabbau rund um den Hambacher Forst: Während Gewerkschaften und Arbeiter*innen um den Erhalt von Arbeitsplätzen ringen, fordern Ökologiebewegungen und Klimaaktivist*innen einen Rückzug von fossilen Energieträgern. Die Gewerkschaften werfen der Ökologiebewegung vor, die soziale Lage der Arbeiter*innen zu ignorieren. Andersherum wird die Gewerkschaft dafür kritisiert, das Thema Klimawandel sträflich zu vernachlässigen um die Interessen von Stammbelegschaften zu schützen.

Bei den gegenseitigen Vorwürfen wird häufig übersehen, dass die unterschiedlichen Positionen auf einen Konflikt zwischen sozialen, ökologischen und ökonomischen Belangen zurückgehen. Dieser Konflikt hat etwas mit der grundlegenden Art und Weise zu tun, wie wir in dieser Gesellschaft unser Zusammenleben organisieren: Im Kapitalismus. Eine Art der Produktion, deren Zweck nicht in der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse liegt, sondern dessen Ziel, wie es der Name bereits verrät, in der Verwertung des Kapitals besteht. Dieser Prozess der Verwertung des Kapitals ist ein unendlicher Kreislauf, in dem immer nach neuen Möglichkeiten gesucht wird aus Geld mehr Geld zu machen. Die Natur, die eigentlich die Lebensgrundlage aller Menschen bildet, spielt in diesem Prozess nur eine untergeordnete Rolle, als auszubeutende Ressource. Ihre Zerstörung erscheint deshalb unter den Bedingungen des allgemeinen Konkurrenzkampfes so lange rational, wie sich daraus ein Profit erwirtschaften lässt.

Dieser Zustand ist weder hinreichend erklärt noch bekämpft, wenn man das kurzfristige und profitorientierte Denken von Akteur*innen aus Wirtschaft und Politik als alleiniges Problem bestimmt und anprangert. Die Motivation für das Streben nach immer mehr Geld liegt nicht in der Profitgier derjenigen Menschen begründet, die diesen Prozess voranbringen, sondern in dem Zwang der Konkurrenz dem diese selbst ausgesetzt sind. Unternehmen sind gezwungen neue Verwertungsmöglichkeiten schneller zu finden und auszunutzen als ihre Konkurrent*innen. Wenn sie im Wettstreit mit anderen Unternehmen verlieren, müssen sie Bankrott anmelden, was unter momentanen Bedingungen wiederum den Verlust von Arbeitsplätzen und der Lebensgrundlage von Menschen zur Folge hätte. Der Staat befindet sich dabei in einer Zwickmühle: Um zu verhindern, dass Unternehmen ins Ausland abwandern, betreiben sie eine Politik, welche Kapitalinteressen schützt um nationale Standortvorteile zu bewahren und auszubauen. Diese Politik kollidiert nicht nur mit dem Schutz der Umwelt, wie dem Erreichen von Klimazielen: Statt dem Elend ein Ende zu bereiten, verwaltet es dieses nur – mal besser, meist schlechter.

Eine staatliche Politik innerhalb des Kapitalismus, wird niemals die Bedürfnisse der Menschen und der Natur in den Vordergrund ihres Handels stellen. Dennoch macht es Sinn die Spielräume staatlichen Handelns auszuloten und auf politische Parteien, gerade jetzt, wo die Landtagswahlen anstehen, Druck aufzubauen: Wir fordern den Ausstieg aus dem Kohleabbau, kostenlosen Nahverkehr für Alle, fahrradfreundliche und autofreie Innenstädte und Ausweitung von Grünanlagen! Dies sind sinnvolle und wichtige Veränderungen – Sie vermögen Klimaschäden hinauszuzögern und die Lebensbedingungen von Menschen punktuell zu verbessern.

Wenn wir den Klimaschutz und die Zukunft der Menschheit ernst nehmen, dürfen unsere Forderungen jedoch nicht bei Reformen, wie der Verkehrswende, stehen bleiben. Voraussetzung für ein ‚gutes Leben für alle‘ ist die Abschaffung aller menschenfeindlichen Strukturen wie Kapitalismus, Patriarchat und Nationalstaaten. Es liegt an uns, die wir hier und in über 100 Ländern gegen die Zerstörung unserer Welt streiken, nicht locker zu lassen und an den Grundfesten eines Systems zu rütteln, dem wir die gesamte Misere zu verdanken haben!

Eine ökologische Perspektive ist unvollständig, ohne die Auseinandersetzung mit der sozialen Frage. Und die Thematisierung der sozialen Frage greift zu kurz, wenn das Thema Ökologie ausgeklammert bleibt. Lasst uns innerhalb einer Gesellschaft der Konkurrenz, Erfahrungen des Widerstands und der gelingenden Kollektivität organisieren! Lasst uns zusammen lernen und herausfinden, was in dieser Gesellschaft falsch läuft und wie wir sie überwinden können! Lasst uns das Klima retten und das System stürzen!

AK Ökologie der Falken Jena