Unser nächster Roter Salon beschäftigt sich mit dem Thema Polyamorie:
Die monogame Zweierbeziehung, sowie die zum Tauschverhältnis institutionalisierte Ehe, waren immer ein Gegenstand einer an Emanzipation ausgerichteten, feministischen Kritik. Seit einigen Jahren entwickeln sich reichlich Gegenentwürfe, die eine freie Liebesbeziehung ermöglichen sollen. Vergangenes Jahr feierte die Polyamorie mit zahlreichen Dokumentationen und Zeitungsartikeln ein mediales Revival. In den Sozial- und Verhaltenswissenschaften wird die Polyamorie immer häufiger als Forschungsgegenstand entdeckt. Nicht selten sind diese Beiträge allerdings einseitig positiv, sodass bspw. Volkmar Sigusch voller Emphase die Polyamorie als Beziehung beschreibt für die „Geschlechtszugehörigkeit der Beteiligten […] ebenso unbedeutend [ist] wie der Umstand, ob Sexualität stattfindet oder nicht“. Da Geschlecht in einigen polyamoren Kreisen als gänzlich überwunden erscheint, gerät eine kritische Auseinandersetzung von Geschlecht und Beziehung häufig aus dem Blickfeld.
Wir wollen uns schließlich anhand einer materialistischen und psychoanalytischen Kritik der Polyamorie als positives Modell im Allgemeinen, sowie ihrer Männlichkeit im Besonderen, die Frage stellen, wo die Fallstricke einer positiv bestimmten Form von Beziehung liegen, was an der Polyamorie erhaltenswert ist und wie eine emanzipative Beziehungsform aussehen könnte. In den Fokus der Betrachtung soll dabei ein Verhältnis von kapitalistischer Vergesellschaftung und Männlichkeit geraten, welches die Polyamorie als affirmatives Modell der Selbsterhaltung beschreibt. Somit soll gezeigt werden, dass die Polyamorie ein von den bestehenden Verhältnissen beeinflusstes, instrumentelles, selbstoptimierendes und somit leistungssteigerndes Modell ist, welches die Maßgaben von Kalkulierbarkeit, Effizienz und Vereinheitlichung aus dem Produktionsprozess auf die intimsten Beziehungen überträgt. Schlussendlich soll auf die These hingearbeitet werden, dass sich eine bestimmte Form polyamorer Männlichkeit als polyamorer Odysseus beschreiben lässt.
Die dritte Veranstaltung folgt sogleich. Heute Abend wollen wir uns mit Konsumkritik auseinandersetzen. „Den Kern des Vortrags bildet die Frage danach, ob/inwiefern die Konsumkritik einer emanzipatorischen Aufhebung der Verhältnisse entgegensteht.“ (17.07.19 CZS 3/SR 317, 19Uhr)
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„Kritik der Konsumkritik.
Konsumkritik ist seit den 80er Jahren verankert in linken, sowie in rechten Strukturen und fand jüngst Einzug in das links-liberale Bewusstsein, in Werbung – in die Verhandlung des öffentlichen Diskurses.
»Vegetarismus gegen den Klimawandel« oder »Kleiner ökologischer Fußabdruck, statt großeKrise« sind bekannte Slogans. Die ReferentInnen werden zunächst versuchen, das breite Feld der Konsumkritik als Gegenstand greifbar zu machen, in dem sie Beispiele von konsumkritischen Praxen in unterschiedlichsten Sphären nennen und diese auf gemeinsame Mechanismen und ideologische Grundmomente untersuchen. Den Kern des Vortrags bildet die Frage danach, ob/inwiefern die Konsumkritik einer emanzipatorischen Aufhebung der Verhältnisse entgegensteht.“
Wir möchten an unsere Veranstaltung heute Abend erinnern (16.07.19 CZS 3/SR 317 um 19 Uhr): „Solidarität mit den quälbaren Körpern. Eine materialistische Kritik des Mensch-Tier-Verhältnisses“ mit Thomas Krüger.
Dies ist die zweite Veranstaltung im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „Alle reden übers Wetter. Wir auch.„
“ […] Der Vortrag exemplifiziert den Widerstreit zwischen Idealismus und Materialismus am Mensch-Tier-Verhältnis. Die Beziehung von Menschen und Tieren wird nicht zuletzt durch die gesellschaftliche Waren- und Rechtsform vermittelt. Es soll gezeigt werden, dass eine materialistische Kritik der Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen und Tieren die leiblichen und mentalen Qualitäten leidens- und bewusstseinsfähiger Lebewesen und damit den Begriff des Glücks in den Mittelpunkt stellen muss. Die Annahme, dass der Schmerz alle kategorialen Unterschiede zwischen Menschen und Tieren einebnet und das ganze Leben derer aufsaugt, die er ergriffen hat, mündet in einem Plädoyer für die Solidarität mit den quälbaren Körpern.“
Am 10.07.19 haben die Falken Jena eine Kundgebung am Holzmarkt zum Tod Walter Lübckes und gegen rechte Gewalt verantstaltet. Im Folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag:
Liebe Anwesende, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
am 02.
Juni – also vor knapp 5 Wochen – wurde der amtierende Kassler Regierungschef
Walter Lübcke auf der Terrasse seiner Wohnung durch einen Kopfschuss
hingerichtet. Sein Mörder war, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit,
der Neonazi Stephan Ernst[1]. Wir
sind heute hier zusammengekommen, denn wir trauern um den Verlust, den die
Angehörigen und die Familie von Walter Lübcke erlitten haben. Er ist ein
weiteres der zahlreichen Todesopfer des rechten Terrors in der Bundesrepublik
Deutschland. Er ist einer von mindestens 184 Menschen, die allein seit 1990 in
Deutschland von Neonazis getötet wurden[2]. Die
Tat stellt auf einer Seite eine Zäsur dar, da sie an einem Repräsentanten des
Staates verübt wurde. Sie reiht sich gleichzeitig nahtlos in eine Kontinuität
des rechten Terrors ein.
Im
Visier rechter AkteurInnen stand Lübcke spätestens seitdem er im Jahr 2015 bei
einer Bürgerversammlung den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete verteidigte.
Er sprach dabei von Werten und sagte: „Wer diese Werte nicht vertritt, hat die
Freiheit, dieses Land zu verlassen.” Dies, so Lübcke, sei die Freiheit eines
jeden Deutschen[3]. Lübcke erntete für diese
Aussage bereits im Saal der Bürgersammlung Buh-Rufe. Nach der Versammlung brach
sich die rechte Hetze in sozialen Netzwerken ungefiltert Bahn und wurde durch
verschiedene Politikerinnen und Politiker befeuert. Das rechte Portal
Politically-Incorrect-News (PI) verbreitete seine Kontaktdaten und
Privatadresse. Der Autor Akif Pirinçci nahm Lübckes Äußerung in einer Rede bei
PEGIDA als Beispiel für die vermeintliche Ignoranz „der Macht“ gegenüber „dem
eigenen Volk“. Lübcke erhielt zahlreiche Morddrohungen und stand zwischenzeitlich
unter Polizeischutz[4].
Der
Mörder von Walter Lübcke, Stephan Ernst, gehörte zum Umfeld der hessischen NPD
und den Autonomen Nationalisten und war bereits mehrfach aufgrund von
rassistisch motivierten Gewaltdelikten vorbestraft, u.a. wegen eines versuchten
Anschlags auf eine Unterkunft für Geflüchtete mit einer Rohrbombe im Jahr 1993[5].
Nachdem es bislang hieß, dass Stephan Ernst seit 2009 dem Bundesamt für Verfassungsschutz
nicht mehr als aktiver Neonazi aufgefallen wäre, liegen nun neue Erkenntnisse
darüber vor, dass Ernst noch 2011 Mitglied des neuheidnischen und
neonazistischen Vereins “Artgemeinschaft” war[6]. Zudem
gibt es Indizien, dass Stephan Ernst Kontakte zum deutschen Ableger des aus
Großbritannien stammenden Neonazinetzwerkes Combat 18 pflegte, das sich selbst
als »Terrormaschine« der militanten Neonaziszene bezeichnet[7].
Ob Stephan Ernst Einzeltäter war,
ist keine Frage, die sich stellt. Dies ist gänzlich unabhängig davon, ob im
weiteren Verlauf der Ermittlungen festgestellt werden kann, dass er für die
konkrete Tat Unterstützung erhielt. Eine Tat wie die von Stephan Ernst bedarf
der vorausgehenden Konstruktion eines Weltbildes, die sie legitimiert. Der
Aufbau eines solchen Weltbildes erfolgt in den seltensten Fällen allein im stillen
Kämmerlein, sondern ist Ergebnis rechtsterroristischer Strukturen und
Organisation.
Diese wiederum entstehen nicht im
luftleeren Raum. Sie sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas, das
rechtsterroristische Anschläge und Morde seit Jahren ermöglicht und
legitimiert. Mit diesem Klima hat nach dem Mord an Walter Lübcke kein Bruch
stattgefunden. Obwohl wir diese Situation seit Jahren beobachten, haben uns
einige der öffentlichen Statements, die nach dem Mord abgegeben wurden, in
besonderer Weise fassungslos und wütend zugleich zurückgelassen.
Genannt sei z.B. die Aussage des
Bundestagsabgeordnete der AfD Martin Hohmann. Dieser wies einem von der CDU und
Angela Merkel befürworteten angeblichen “Massenzustrom an Migranten” die Schuld
am Mord von Walter Lübcke zu[8].
Schützenhilfe bekam er dafür vom neuen Präsidenten des Verfassungsschutzes,
Thomas Haldenwang. Er leugnete jegliche Verantwortung seiner eigenen Behörde
und gab gleichzeitig zu bedenken, dass die Ursachen für das Erstarken rechter
Strukturen eher in der Flüchtlings- und Migrationspolitik zu suchen seien[9].
Der sächsische CDU-Parteikollege
von Walter Lübcke, Michael Kretschmar schaffte es in Bezug auf die Tat vor
einer vermeintlichen Gefahr vor links- und rechtsextremen Kräften zu warnen und
berief sich auf einen “gesunden Patriotismus”, den alle Deutschen miteinander
leben würden und den er für völlig normal halte[10].
Die Gleichsetzung einer
vermeintlichen, aber faktisch nicht vorhandenen tödlichen Bedrohung durch linke
Kräfte und der von Rechts-Terroristen verübten Morde und Anschläge, schafft
eine groteske Relativierung der Ereignisse. Die Berufung auf einen “gesunden
Patriotismus”, den nur die Ränder des politischen Spektrums nicht teilen
würden, leugnet jegliche gesellschaftliche Verantwortung für die Tat.
Der “gesunde Patriotismus”, von
dem Kretschmar redet, drückt sich währenddessen darin aus, dass laut der
Leipziger Mitte-Studie über die Hälfte der Deutschen die Bundesrepublik in
einem gefährlichen Maß für überfremdet halten und über ein Viertel der
Befragten finden, dass die Darstellung der Verbrechen des Nationalsozialismus
in der Geschichtsschreibung weit übertrieben sei[11]. Dies
zeigt, wie wenig irgendetwas in diesem Land als “gesund” bezeichnet werden
kann.
Das Verhalten der CDU und ihres
Abgeordneten macht im Endeffekt vor allem deutlich, wie schlimm die Lage wirklich
ist. Denn diese Stimmung in der eigenen WählerInnenschaft ist es, die es
opportun macht – nachdem ein Parteikollege hingerichtet wurde – weiter nach
rechts zu rücken, statt eine konsequente Aufklärung und Zerschlagung
rechtsterroristischer Netzwerke zu forcieren.
Die
hämischen Kommentare in den sozialen Medien, über den Mord an Walter Lübcke sowie
die zahlreichen weiteren Morddrohungen, die inzwischen bei Politikerinnen und
Politikern eingegangen sind[12],
sind ein Ausdruck weiterer verbaler Enthemmung. Diese Kommentare zielen auf
Einschüchterung und Bedrohung und wir wollen heute einräumen: ja, diese
Umstände machen uns Angst. Unsere Wut über die Verhältnisse, mit der die Trauer
im Fall von Walter Lübcke gemischt ist, bleibt angesichts dieser Zustände in
Deutschland ohnmächtig.
Auch das breite Wissen über
rechte Netzwerke, das von Strukturen wie NSU-Watch, Der rechte Rand, Exif, u.a.
erarbeitet wurde, bleibt aufgrund gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse
politisch weitestgehend konsequenzlos.
Der Unerträglichkeit dieser
Situation möchten wir heute Ausdruck verleihen. Sie ist der Grund für unsere
Ohnmacht und Verzweiflung und sie ist gleichzeitig der Grund, warum wir nicht
aufhören können, gegen diese Zustände vorzugehen. Teil dieser Unerträglichkeit
ist es nicht zuletzt, dass uns, aufgrund der stetig neuen hasserfüllten
Kommentare sowie grotesken und zynischen Statements zum Mord an Walter Lübcke,
jeglicher Moment des Innehaltens genommen wird.
Dieser Situation können wir auch
mit der heutigen Kundgebung nicht viel entgegensetzen. Deshalb bleibt uns heute
nichts anderes übrig, als unserer Wut und Trauer allein dadurch Ausdruck zu
verleihen, die gesellschaftliche Situation, die Morde wie den an Walter Lübcke
tagtäglich ermöglicht, zu skandalisieren. Da uns ein Moment des Eingedenkens
vor diesen Umständen kaum möglich erscheint, möchten wir diese Veranstaltung
ohne eine symbolische Schweigeminute beenden. Wir möchten jedoch im Anschluss
an diesen Redebeitrag das Angebot machen, sich mit den Umstehenden und
Teilnehmenden auszutauschen.
Zu diesem Zweck werden wir die
Kundgebung noch eine Weile aufrechterhalten.
Heute (09.07.19) beginnt unsere Veranstaltungreihe Alle reden übers Wetter. Wir auch.
Auftakt bildet die Veranstaltung „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen.“ mit Lothar Galow-Bergemann (19Uhr/CZS 3 SR 317). Es geht um die Frage, warum „unsere Wirtschaft“ einen vernünftigen Umgang mit der Umwelt verhindert.
„Alle sind für Klimaschutz, aber die globale Erwärmung nimmt unaufhörlich zu. Alle sind für soziale Gerechtigkeit, aber KinderundAltersarmut wachsen. Alle wünschen sich mehr freie Zeit zum Leben, aber müssen immer mehr und länger arbeiten. Niemand will die Krise, aber keiner kriegt sie in den Griff. Wunsch und Wirklichkeit gehen weit auseinander, weil das herrschende Wirtschaftssystem grundsätzliche Konstruktionsfehler hat. Es beruht auf dem Zwang zu ewigem Wachstum und maximalem Profit. Gegen den Kapitalismus sind viele. Aber haben sie auch etwas von dem verstanden, was ihm den Namen gibt – vom Kapital?
Der Vortrag beleuchtet grundlegende Funktionsweisen des Kapitalismus und wirft auch einen kritischen Blick auf gut gemeinte „Alternativvorschläge“, die regelmäßig an der Funktionsweise „unserer Wirtschaft“ scheitern. Will man eine bessere Welt schaffen, muss man erst einmal verstehen, wie die jetzige tickt. „
Für alle, die leider nicht an unserer Veranstaltungsreihe in den
vergangenen Wochen teilnehmen konnten, gibt es einen Audiomitschnitt des
Vortrags von Lothar Galow-Bergemann zur Frage »Warum wir mit „unserer
Wirtschaft“ nie eine nachhaltige Gesellschaft erreichen werden«:
Am
2. Juni wurde Walther Lübcke wohl von einem hessischen Neonazi
ermordet. Nach allem was bislang bekannt ist, traf es Walther Lübcke
deswegen, weil er sich öffentlich gegen die menschenverachtende Rhetorik
großer Teile der Bevölkerung gestellt hat. Es ist für uns kein neues
Phänomen, dass Neonazis dazu bereit sind, auch die Menschen, die sie als
politische Gegner*innen identifizieren, zu ermorden. Nichts desto trotz
halten wir es für einen Skandal, dass in Deutschland weiterhin Menschen
von Neonazis ermordet werden.
Aus diesem Grund rufen wir dazu
auf, heute am 10.07.2019 um 16.00 Uhr am Holzmarkt an einer Kundgebung
teilzunehmen. Kommt vorbei!
Am 25. Mai werden wieder christliche Fundamentalist*innen und andere rechte Abtreibungsgegner*innen in Annaberg/Buchholz aufmarschieren. Als sogenannter „Schweigemarsch für das Leben“ versammeln sich Sexist*innen unterschiedlicher politischer Coleur mit dem Ziel, das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper von Frauen und Transpersonen noch weiter einzuschränken. Wir werden das nicht hinnehmen! Es gilt, ihnen auch in diesem Jahr den Tag ordentlich zu versauen. Aber dabei kann es für uns nicht enden. Immer noch ist auch in Deutschland für Frauen und Transpersonen die Situation von Schwangerschaftsabbrüchen enorm prekär und Abtreibungen noch immer nur unter großen Einschränkungen möglich und lediglich „entkriminalisiert“. Es ist eine Zumutung, dass uns dieses elementare Recht, über den eigenen Körper entscheiden zu können, noch immer abgesprochen wird! Es ist eine Zumutung, darüber immer noch reden zu müssen. Scheiße, wir sind sauer! Darum fahrt mit uns gemeinsam am 25.5.2019 nach Annaberg/Buchholz und lasst uns unseren Protest auf die Straße tragen! Gegen Fundis, Nazis und andere Sexist*innen! Und für eine feministische und selbstbestimmte Perspektive!
Wir fordern: Die Abschaffung von § 218 StGB! Abtreibungen müssen legal, kostenlos und sicher sein!
Informationsfreiheit umsetzen! Es muss möglich sein, öffentlich über Abtreibungsmöglichkeiten aufzukären! §219a StGB abschaffen!
Inklusion leben! Für eine Gesellschaft, in der es keine Rolle spielt, ob ein Kind mit oder ohne Behinderung auf die Welt kommt!
Die Gleichberechtigung aller sexuellen Lebensweisen und geschlechtlichen Identitäten!
Weltweiten kostenlosen Zugang zu Aufklärung über den menschlichen Körper und Sexualität, sowie Verhütungsmitteln! Wir werden gemeinsam mit PKWs anreisen. Treffpunkt geben wir im Vorfeld nochmals per E-Mail bekannt. Damit wir kalkulieren können, möchten wir Euch bitten, Euch im Vorfeld unter der untenstehenden E-Mail-Adresse der Falken Jena zu melden. Gegebenenfalls auch, ob Ihr mit einem PKW hin fahren würdet.
Pro Choice Jena
E-Mail bitte an die folgende Adresse: info@falken-jena.de
Der 1. Mai ist wichtiger Bezugspunkt der Arbeiterinnen- und
Arbeiterbewegung.
Am 1. Mai 1886 begann in Chicago
ein Streik gegen den 12-Stunden-Tag und schlechte Löhne. Der mehrtägige Streik
mündete im sogenannten ‚Haymarket Riot‘, wo bei Auseinandersetzungen Streikende
von der Polizei erschossen wurden. Seitdem ist der 1. Mai weltweit Kampftag der
Arbeiter*innen für ihre Rechte. Auch wir Falken tragen an diesem
internationalen Tag unsere Kritik und Forderungen auf die Straße. Gleichzeitig
erteilen wir völkischen Nationalisten eine klare Absage. Denn sowohl in der
Vergangenheit, als auch heute versuchen alte und neue Rechte diesen Tag für
sich in Anspruch zu nehmen. Anstatt aber diesen Tag als einen internationalen
zu begehen, sehen sie ihn als Tag der ‚nationalen Arbeit‘. Es waren die
Nationalsozialisten, die zynisch 1933 den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag
erklärten und am Tag darauf die Gewerkschaftsorganisationen der
Arbeiter*innenbewegung zerschlugen und ihre Aktivist*innen ermordeten und in
Konzentrationslager sperrten. Auch daran wollen wir erinnern und
unterstreichen: Der 1. Mai ist international, nicht national.
Wir setzten uns ein für die Selbstorganisation der Lohnabhängigen.
Anstatt Menschen verschiedener Herkunft gegeneinander auszuspielen fordern wir
Solidarität ein. Denn nur gemeinsam können wir uns neoliberaler und
völkischer Politik erwehren. Obwohl fast alle Chefs der ostdeutschen
AfD-Landesverbände und auch ihr Chefideologe aus Westdeutschland kommen – Höcke
aus Hessen, Kalbitz aus Bayern, Reichardt aus Niedersachsen, Kubitscheck aus
Baden-Württemberg – appellieren sie an eine diffuse ‚Ostidentität‘. Sie wollen
sich ‚westdeutschen Verhältnissen‘ erwehren, verklären die angebliche ethnische
Einheitlichkeit Ostdeutschlands zum Fortschritt und versuchen die
‚Revolutionserfahrung‘ von 1989/90 für ihre Zwecke zu mobilisieren. Deshalb:
Statt nationalistischem Identitätsgemacker gegen Führer und
Gefolgschaft! Gemeinsam solidarisch die soziale Frage stellen und entschlossen eigene
Forderungen durchsetzen!
Seit ihrer Gründung 2013 hat die AfD eine beachtliche Parteikarriere
hingelegt: In den vergangenen Jahren ist es ihr gelungen, in alle
Landesparlamente und auch in den Bundestag einzuziehen. Dabei hat sich die AfD
seit ihrer Gründung kontinuierlich radikalisiert. Treibende Kraft dahinter ist
Bernd Höcke mit seiner eigenen, seit 2015 aktiven innerparteilichen
Propagandaplattform ‚Der Flügel‘. Inzwischen dominiert dieser Kreis vor allem
die ostdeutschen Landesverbände und war maßgeblich für beide Parteispaltungen
der AfD verantwortlich: 2015 wurden Bernd Lucke und 2017 Frauke Petry als
Parteivorsitzende verdrängt. Hintergrund ist Höckes Ziel die AfD einerseits als
Bewegungspartei auszurichten, also statt parlamentarische Partei zu sein auch
eine Bewegung auf der Straße zu haben. Das bedeutet beispielsweise den
organisierten Schulterschluss mit Pegida in Dresden zu vollziehen. Andererseits
geht es ihm darum, die AfD als völkisch-nationalistische Partei festzulegen,
also im Kern rassistische Politik zu betreiben. Die AfD will Politik für ‚das
deutsche Volk‘ machen. Das ist für sie nicht identisch mit den hier lebenden
Menschen, nicht einmal mit den in Deutschland wahlberechtigten Menschen. Was
Deutsch ist, ist für ‚den Flügel‘ eine Frage des biologischen und kulturellen
Stammbaums.
Als ideologischer Think-Tank und Funktionärsschmiede dient dem Kreis um
Höcke vor allem das ‚Institut für Staatspolitik‘ (IfS) von Götz Kubitscheck.
Die dem Selbstverständnis nach ‚Intellektuellen der Neuen Rechten‘ sind ideologisch
der ‚konservativen Revolution‘ der 20er Jahre verpflichtet. Diese ideologische
Strömung war der gedankliche und politische Steigbügelhalter des
Nationalsozialismus. Stichwortgeber dieses Denkens sind Armin Mohler, der sich
selbst als Faschist bezeichnete, oder der Franzose Alain De Benoist, dessen
politische Karriere in militant-faschistischen Kleingruppen begann. Es
verwunderte also kein bisschen, als Höcke und Konsorten am 1. September 2018 in
Chemnitz den offenen Schulterschluss mit Neonazis demonstrierten – weit über
die Szenegrenzen Sachsens hinaus. Wer meint, die AfD noch in einen
‚neoliberalen‘ und ‚nationalen‘ Flügel ausdifferenzieren zu müssen, muss
enttäuscht werden. Personenbezogen gibt es zwar graduelle Abstufungen, aber der
Gesamtcharakter der Partei wurde in Chemnitz demonstriert.
Jetzt will sich die AfD und insbesondere Höckes ‚Flügel‘ der
Sozialpolitik widmen. Was bedeutet das? Andreas Kalbitz, AfD-Chef in
Brandenburg und Höckes rechte Hand im ‚Flügel‘, hielt darüber 2018 eine Rede im
IfS. Er sieht ethnisch definierte Deutsche als Adressat*innen von
Sozialpolitik, die Werkzeug zum „Erhalt der autochthonen Struktur unserer
Gesellschaft“ sein müsse mit dem Ziel „eine weitestgehende Homogenität der
autochthonen Bevölkerung“ herzustellen. In einem Satz: Sozialpolitik müsse der
Reinheit des ‚deutschen Volksköpers‘ dienen. AfD-Sozialpolitik fragt nicht nach den sozialen Zumutungen und Härten
die konkrete Menschen – also Dich – betreffen, sondern nach den Stellschrauben für
eine einheitliche, gleichartige Gemeinschaft.
Wie diese völkische Gemeinschaft strukturiert sein soll, demonstrieren
die Schwerpunkte dieser Sozialpolitik. Kalbitz betrachtet Familien und
Kinder „als wichtigste Ansatzpunkte für den Erhalt unseres Landes und auch
unseres Volkes.“ Mal ganz abgesehen davon, dass es in erster Linie um
ethnisch-deutsche Familien geht, drückt sich hier eine patriarchale
Gemeinschaftsvorstellung aus. Es geht ausschließlich um ‚klassische Familien‘,
in denen Frauen den Haushalt und die Kinderbetreuung übernehmen, die Männer der
Lohnarbeit nachgehen. Alleinerziehenden oder gleichgeschlechtlichen Eltern
haben sie folgerichtig nichts anzubieten. Durch
die Ersetzung von Sozialpolitik durch Volkstumspolitik ist es auch nur
konsequent keine inhaltliche Arbeiter*innenpolitik zu verfolgen. In den
vergangenen Jahren trat der Thüringer Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl,
ebenfalls Höcke-Vertrauter, mit seinem ‚Alternative Arbeitnehmerverband
Mitteldeutschland‘ medienwirksam in Erscheinung. Das als ‚alternative Gewerkschaft‘
angepriesene Propagandaprodukt wollte im vergangenen Jahr mit großem Pomp die
Betriebsräte völkisch besetzen, allerdings trat ‚ALARM‘ nicht einmal zu den
Wahlen an.
Oder die nationalistische
Spartengewerkschaft ‚Zentrum Automobil‘, eng verzahnt mit der ‚Identitären
Bewegung‘ und Kubitschecks ‚IfS‘. Ihr Hauptgegner sind nicht schlechte
Arbeitsverhältnisse oder die Betriebsleitung, sondern die
‚Monopolgewerkschaften‘. Selbsterklärter Zweck ist der Einsatz für ‚Patrioten‘,
letzten Endes also die Verteidigung rassistischer und nationalistischer
Positionen im Betrieb. Diese Initiativen können weder inhaltlich noch
organisatorisch etwas anbieten. Wie
auch, die AfD bekämpft Tariflöhne.
Ein Blick ins Ausland lässt erahnen, was geschieht, wenn die AfD ihre
Politik umsetzen kann. Ihre Geschwister im Geiste in Ungarn und Österreich
machen es vor. In Ungarn ist es seit 2018 möglich bis zu 400 Überstunden pro
Jahr leisten zu müssen, während sich Arbeitgebende für Ausgleich oder
Auszahlung bis zu drei Jahre Zeit lassen können. Und das umgarnt von
rassistischer und antisemitischer Rhetorik, Gängelung der Pressefreiheit,
Beschneidung demokratischer Rechte und Kampf gegen freie Kultur. In Österreich
erleichterte das Parlament 2018 nachhaltig die Rahmenbedingungen durch
Arbeitgeber*innen den Arbeitstag wieder auf 12 Stunden auszudehnen.
In der organisch, also biologisch, gedachten Gemeinschaft haben Arme
keinen Platz, genauso wie berufliche und körperliche Selbstbestimmung von
Frauen*, individuelle Lebensentwürfe, kontroverse Kultur oder Menschen
verschiedener Herkunft. Mit der AfD entledigt sich das Proletariat nicht
seinen Ketten, sondern seinen nicht-deutschen Nachbarn. Die soziale Frage
spannt sich nicht auf zwischen ‚Deutschen‘ und ‚Ausländern‘, ‚Produktiven‘ und
‚Parasiten‘. Sie entfaltet sich zwischen den Polen Arbeitgebende und
Arbeitnehmende, zwischen Kapital und Arbeit. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass sich die soziale Frage nur
gemeinsam, solidarisch anpacken lässt.
Wir sind Schüler*innen, Studierende und junge Erwerbstätige. Aus
eigener Erfahrung und durch unsere Genoss*innen wissen wir, was es bedeutet,
wenn anonyme Statistiken davon sprechen, dass in Deutschland Bildungschancen
maßgeblich vom Einkommen des Elternhauses abhängen. Oder spätestens in der
letzten Woche des Monats jeden Cent umdrehen zu müssen. Oder nach dem Studium
nur selten Aussichten auf einen Job zu haben, für den man auch gelernt hat. Und
wenn, sich meist von Befristung zu Befristung hangeln zu müssen. Zu wissen, als
Frau* durchschnittlich schlechter entlohnt zu werden als Männer*, trotz
gleicher Arbeit. Für Menstruationsartikel unverschämte 19 Prozent Luxussteuer
zahlen zu müssen. Oder in Großstädten in kleinen WG-Zimmern zu wohnen oder
gezwungen zu sein, an den Rand der Stadt zu ziehen. Die soziale Frage ist
allgegenwärtig und betrifft all unsere Lebensbereiche. Welche Kleidung wir
tragen, ob und wohin wir in den Urlaub fahren, in welche Schulen wir gehen,
welche Lebensmittel wir konsumieren, welche Kulturangebote wir wahrnehmen und
wo wir wohnen – all das wird erst eine Frage des individuellen Geschmacks, wenn
wir es bezahlen können. Vollkommen egal,
woher wir kommen.
Gegen diese sozialen Zumutungen organisieren wir uns gemeinsam. Den
alltäglichen Ohnmachtserfahrungen setzen wir unsere Solidarität entgegen. Wir
streiten für eine offene und solidarische Gesellschaft.
Darum ist es für uns klar, dass nur eine radikale Kritik und Praxis die
Antwort auf die erfahrenen Zumutungen liefern kann. Es ist kein Zufall,
dass eine ‚etablierte Mitte‘ mit ihren Antworten darauf immer wieder auf
Standortnationalismus, Gerede vom ‚Heuschreckenkapitalismus‘ oder Bündnissen
mit Sexist*innen zurück geworfen wird.
Wir erleben aber auch positive Beispiele. Eine der ersten großen
politischen Niederlagen erlebten die Rechten in Polen, als ein riesiges
feministisches Bündnis das geplante völlige Abtreibungsverbot kippte. Und auch
die Diskussion der sozialen Frage bekommt wieder Substanz: Durch die Berliner
Kampagne ‚DeutscheWohnen & Co enteignen!‘ wird von zehntausenden Menschen endlich
wieder die Eigentumsfrage gestellt. Denn Wohneigentum und Eigentum an
Produktionsmitteln ist nicht vom Himmel gefallen, sondern von Menschen gemacht
und durchgesetzt. Die Eigentumsfrage ist
deshalb notwendiger Bestandteil der sozialen Frage und stellt uns vor die
Herausforderung zu diskutieren, wie wir uns eine solidarische Gesellschaft
vorstellen.
Die soziale Frage ernsthaft zu
stellen verlangt eine radikale Kritik der Gegenwart. Statt Zusammenzustehen gilt es solidarisch Voranzuschreiten.
wir als Falken Jena haben Euer Positionspapier zum Anlass genommen, uns mit dem Umgang mit dem Projekt ‚Insel‘ innerhalb der linken Szene in Jena, unseren Bündnispartner*innen und uns selbst auseinanderzusetzen. Zwar gab es von unserer Gruppe aus keine offiziellen Solidaritätsbekundungen oder Kooperationen, jedoch haben wir in der Vergangenheit in Bündnissen mitgewirkt, welche etwa Räumlichkeiten der ‚Insel‘ für Veranstaltungen genutzt haben.
Wir erklären uns solidarisch mit den Betroffenen von Sexismus und Chauvinismus und distanzieren uns von Projekten, die durch die Art und Weise ihres Umgangs mit grenzüberschreitendem Verhalten solche Vorfälle begünstigen. Wir fordern die Bewohner*innen und Unterstützer*innen der ‚Insel‘ auf, sich damit auseinanderzusetzen, wie es dazu kommen konnte, dass Clemens L. trotz seines Verhaltens weiterhin in der ‚Insel‘ geduldet und unterstützt wird und diese als Pressesprecher nach außen vertreten kann. Währendessen wird die Kritik der Betroffenen und ihrer Unterstützer*innen delegitimiert und entwertet, um das vermeintlich emanzipatorische Projekt nicht zu gefährden. Vorfälle wie dieser sind kein Einzelfall, sondern passieren systematisch, wenn patriarchale Strukturen und Machtverhältnisse nicht sichtbar gemacht werden. Da dies leider auch innerhalb unserer Netzwerke vorkommt, fordern wir die Thematisierung dieser Unterdrückung und strukturellen Gewalt, um paternalistisches Verhalten nicht durch Ignoranz zu ermöglichen und zu reproduzieren. Denn sogenannte linke Freiräume und Projekte sind nur dann als solche zu bezeichnen, wenn sie an solch wichtigen Stellen nicht wegschauen!
Da es nicht bei einem Lippenbekenntnis bleiben soll, haben wir uns gruppenintern vorerst auf folgende Konsequenzen geeinigt: Keine Kooperation oder Solidarität mit dem Projekt ‚Insel‘, wir machen und unterstützen keine Veranstaltungen, die mit der ‚Insel‘ zusammenarbeiten. Des Weiteren wirken wir auch in Bündnissen darauf hin, dies nicht zu tun. Außerdem bieten wir denen unsere Unterstützung an, deren Interesse es ist, das Projekt ohne Clemens L. zu gestalten.
Wir fordern insbesondere andere linke Gruppen und Projekte in Jena auf, sich mit dem Vorfall um Clemens L. und seine Unterstützer*innen auseinanderzusetzen, bevor sie sich zu unreflektierten Solidaritätsbekundungen hinreißen lassen. Insbesondere deshalb, weil einige offenbar seit längerem über derartige Vorfälle Kenntnis hatten. Statt Clemens L.s Verhalten zu dulden und das Projekt ‚Insel‘ vorbehaltslos zu unterstützen – weil linke Freiräume an sich eine „gute Sache“ sind – fordern wir, den Vorfall endlich ernst zu nehmen, sich zu positionieren und mit den Betroffenen zu solidarisieren.
Hier nochmal der Redebeitrag, den unser Ökologie Arbeitskreis am Freitag beim Klimastreik in Jena gehalten hat, zum Nachlesen. Wir freuen uns über Anmerkungen, Lob und Kritik.
Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Mitstreikende,
wir sind die Falken Jena. Wir freuen uns, wie viele Leute zusammengekommen sind, um gegen die fortschreitende Zerstörung der Natur ihre Stimme zu erheben. Wir sind beeindruckt, liebe Organisator*innen, was Schüler*innen hier in Jena, in Deutschland und international auf die Beine gestellt haben. Wir wollen den Alltagstrott zwischen Schule, Ausbildungsstätte und Universität nicht länger mitmachen, während ein Großteil der Gesellschaft dringende globale Probleme systematisch ignoriert. Mit diesem Streik unterbrechen wir symbolisch den Status quo, um darauf aufmerksam zu machen, dass es so wie bisher nicht weiter gehen soll.
Auf der einen Seite ist es wichtig, dass der Klimawandel thematisiert und vor allem Konsequenzen daraus gezogen werden. Gleichzeitig fällt uns häufig auf, dass die Art und Weise wie über globale Erwärmung gesprochen wird, einen vernünftigen Umgang damit erschwert.
Bei Debatten über den Klimawandel wird gerne auf eine Weltuntergangsrhetorik zurückgegriffen: Die Grundlagen für die bisherige Lebensweise gehen aus, Konflikte um Rohstoffe werden sich verschärfen, der Zusammenbruch unserer Zivilisation steht unmittelbar bevor. Die Vorstellung einer nahenden Apokalypse ist jedoch sowohl gefährlich als auch falsch. Zum einen lassen sich dadurch menschenfeindliche Lösungsansätze legitimieren, wie autoritäre staatliche Eingriffe und antidemokratische Positionen. Diese waren war schon immer ein Einfallstor für rechte Ideen, die nicht mehr Mensch und Natur, sondern Volk und Heimat retten wollen. Diese Rhetorik ist zudem ignorant, da sie bereits bestehendes Leid relativiert. Es wird keinen Tag X geben, an dem alles zusammenbricht. Vielmehr befinden wir uns bereits in einem langwierigen Prozess, welcher die Lebensverhältnisse von immer mehr Menschen drastisch verschlechtert. Die Katastrophe ist für viele Menschen schon heute der Normalzustand: Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich 150.000 Menschen an den fatalen Konsequenzen der globalen Erwärmung – die meisten von ihnen kommen aus dem globalen Süden.
Nicht nur dieses Beispiel zeigt, dass diese Gesellschaft von sozialen Spaltungslinien durchzogen ist. Wir erinnern uns an die Auseinandersetzungen um den Kohleabbau rund um den Hambacher Forst: Während Gewerkschaften und Arbeiter*innen um den Erhalt von Arbeitsplätzen ringen, fordern Ökologiebewegungen und Klimaaktivist*innen einen Rückzug von fossilen Energieträgern. Die Gewerkschaften werfen der Ökologiebewegung vor, die soziale Lage der Arbeiter*innen zu ignorieren. Andersherum wird die Gewerkschaft dafür kritisiert, das Thema Klimawandel sträflich zu vernachlässigen um die Interessen von Stammbelegschaften zu schützen.
Bei den gegenseitigen Vorwürfen wird häufig übersehen, dass die unterschiedlichen Positionen auf einen Konflikt zwischen sozialen, ökologischen und ökonomischen Belangen zurückgehen. Dieser Konflikt hat etwas mit der grundlegenden Art und Weise zu tun, wie wir in dieser Gesellschaft unser Zusammenleben organisieren: Im Kapitalismus. Eine Art der Produktion, deren Zweck nicht in der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse liegt, sondern dessen Ziel, wie es der Name bereits verrät, in der Verwertung des Kapitals besteht. Dieser Prozess der Verwertung des Kapitals ist ein unendlicher Kreislauf, in dem immer nach neuen Möglichkeiten gesucht wird aus Geld mehr Geld zu machen. Die Natur, die eigentlich die Lebensgrundlage aller Menschen bildet, spielt in diesem Prozess nur eine untergeordnete Rolle, als auszubeutende Ressource. Ihre Zerstörung erscheint deshalb unter den Bedingungen des allgemeinen Konkurrenzkampfes so lange rational, wie sich daraus ein Profit erwirtschaften lässt.
Dieser Zustand ist weder hinreichend erklärt noch bekämpft, wenn man das kurzfristige und profitorientierte Denken von Akteur*innen aus Wirtschaft und Politik als alleiniges Problem bestimmt und anprangert. Die Motivation für das Streben nach immer mehr Geld liegt nicht in der Profitgier derjenigen Menschen begründet, die diesen Prozess voranbringen, sondern in dem Zwang der Konkurrenz dem diese selbst ausgesetzt sind. Unternehmen sind gezwungen neue Verwertungsmöglichkeiten schneller zu finden und auszunutzen als ihre Konkurrent*innen. Wenn sie im Wettstreit mit anderen Unternehmen verlieren, müssen sie Bankrott anmelden, was unter momentanen Bedingungen wiederum den Verlust von Arbeitsplätzen und der Lebensgrundlage von Menschen zur Folge hätte. Der Staat befindet sich dabei in einer Zwickmühle: Um zu verhindern, dass Unternehmen ins Ausland abwandern, betreiben sie eine Politik, welche Kapitalinteressen schützt um nationale Standortvorteile zu bewahren und auszubauen. Diese Politik kollidiert nicht nur mit dem Schutz der Umwelt, wie dem Erreichen von Klimazielen: Statt dem Elend ein Ende zu bereiten, verwaltet es dieses nur – mal besser, meist schlechter.
Eine staatliche Politik innerhalb des Kapitalismus, wird niemals die Bedürfnisse der Menschen und der Natur in den Vordergrund ihres Handels stellen. Dennoch macht es Sinn die Spielräume staatlichen Handelns auszuloten und auf politische Parteien, gerade jetzt, wo die Landtagswahlen anstehen, Druck aufzubauen: Wir fordern den Ausstieg aus dem Kohleabbau, kostenlosen Nahverkehr für Alle, fahrradfreundliche und autofreie Innenstädte und Ausweitung von Grünanlagen! Dies sind sinnvolle und wichtige Veränderungen – Sie vermögen Klimaschäden hinauszuzögern und die Lebensbedingungen von Menschen punktuell zu verbessern.
Wenn wir den Klimaschutz und die Zukunft der Menschheit ernst nehmen, dürfen unsere Forderungen jedoch nicht bei Reformen, wie der Verkehrswende, stehen bleiben. Voraussetzung für ein ‚gutes Leben für alle‘ ist die Abschaffung aller menschenfeindlichen Strukturen wie Kapitalismus, Patriarchat und Nationalstaaten. Es liegt an uns, die wir hier und in über 100 Ländern gegen die Zerstörung unserer Welt streiken, nicht locker zu lassen und an den Grundfesten eines Systems zu rütteln, dem wir die gesamte Misere zu verdanken haben!
Eine ökologische Perspektive ist unvollständig, ohne die Auseinandersetzung mit der sozialen Frage. Und die Thematisierung der sozialen Frage greift zu kurz, wenn das Thema Ökologie ausgeklammert bleibt. Lasst uns innerhalb einer Gesellschaft der Konkurrenz, Erfahrungen des Widerstands und der gelingenden Kollektivität organisieren! Lasst uns zusammen lernen und herausfinden, was in dieser Gesellschaft falsch läuft und wie wir sie überwinden können! Lasst uns das Klima retten und das System stürzen!
AK Ökologie der Falken Jena
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