Jeja Klein – Zum Fortleben sexueller Gewalt in aufgeklärten und linken Kreisen

23.10.20 / 18-21 Uhr – Online

Aufgeklärte Kreise und linke Milieus gerieren sich gern als Gegenpol zu Phänomenen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie oder Antisemitismus. Schilder in linken Läden lassen etwa verlauten, Sexismus werde hier schlicht nicht geduldet. Doch warum hält sich etwa sexuelle Gewalt so hartnäckig in diesen Kreisen? Davon zeugen nicht zuletzt die ständigen Auseinandersetzungen, die vor allem Frauen zum Beispiel mit ehemaligen Partnern führen müssen. Diese Konflikte bilden jedoch nur die Spitze des Eisbergs dessen, was in den Betten dieses „aufgeklärten Milieus“ vor sichgeht. So ist das Erleben von Mitgliedern linker Szenen stark geschlechtlich getrennt: während sich Männer frei heraus um wichtige politische Anliegen, Demos, Aktionen und Strategien kümmern können, befinden sich viele linke Frauen und Queers in einem ständigen Beziehungskampf um Anerkennung, begehbare Räumlichkeiten und um ein soziales Netzwerk, in dem sie sich einfach nur sicher aufhalten können. Diesen Kampf führen sie nicht selten sogar gegeneinander.

Der Widerspruch zwischen antisexistischem Selbstbild und sexistischer Lebenspraxis liegt auch an der massiven Unterschätzung der Tiefe, mit der sich sexistische Gesellschaftsstrukturen in Denken, Fühlen und Handeln von uns allen eingraben. Auch eine weitgehende Unaufgeklärtheit über psychologische Grundlagen stellt ein Hindernis dar, um von progressiver Selbstinszenierung zu einem Handeln fortzuschreiten, das sexistische Normalitäten wirklich transformieren kann. Diese Diagnose bezieht sich ausdrücklich auch auf den sich als feministisch wähnenden Teil der Szene: mit Konzepten wie einer „sexualisierten Gewalt“, in der man keinerlei Sexualität, jedoch ausschließlich männliches Machthandeln zu erkennen glaubt, werden realistische Gegenkonzepte verunmöglicht. Entweder, sexistisches Handeln gilt als dermaßen dämonisch, dass man seinen Freunden, Bekannten und sich selbst solche Vorwürfe nicht zumuten möchte – oder, grenzüberschreitende Personen werden als dermaßen dämonische Täter stigmatisiert, dass ihr angestrebter Ausschluss aus der Szene vorwiegend der Gesichtswahrung der „antisexistischen“ Kreise dient. So werden Betroffene faktisch allein gelassen und die Mitschuld der Szene an einem Sündenbock gesühnt, dem man sich mitsamt der eigenen Verantwortungpraktischerweise entledigen kann. Allein: in den meisten Fällen gelingt dieses Anliegen dann nicht ein mal, wodurch der Schaden für Betroffene umso größer wird und zu einem eklatanten Vertrauensverlust in soziale Beziehungen führt.

Im Vortrag sollen psychologische und soziologische Grundlagen hinter Phänomenen wie sexueller und sexualisierter Gewalt geschärft und die besondere Bedeutung von Männern herausgearbeitet werden. Es wird sich zeigen, dass die Widersprüche, die die DNA des Konzepts der Männlichkeitbilden, notwendig und immer wieder zu Angriffen auf Frauen, Trans, Schwule, Lesben, Nichtbinäre usw. führen müssen. Besonders perfide: derlei Angriffe werden oft nicht mal bewusst als solche geplant und durchgeführt, sondern ergeben sich unterhalb der Schwelle des Bewusstseins aus einer archaischen Normalität, der niemand von uns gänzlich zu entfliehen vermag. Im Vortrag wird darum für eine antisexistische Praxis plädiert, die Konsensualität füralle Lebensbereiche vorschreibt und gelingende Beziehungsarbeit und vorausschauende Verantwortung in Beziehungsnetzwerken gegenüber Awareness-und Unterstützer*innengruppen vorzieht. Das Bild des Täter-Dämons müsste dann ersetzt werden durch die Einsicht in die tiefe persönlicheVerstrickung, die wir alle mitbringen – als selber grenzüberschreitende Person einerseits und als sozialer Faktor andererseits, als der wir die Übernahme von Verantwortung hemmen und abwehren. Sei es, weil wir Täter schützen oder sei es, weil wir sie zur Hölle jagen wollen.

Auf Grund der derzeitigen Covid19-Entwicklung und der Überschreitung der 7-Tage-Inzidenz von 35 in Jena führen wir die Veranstaltung mit Jeja Klein digital durch.

Über den Demokratischer Jugendring Jena e.V. verfügen wir über einen eigenen sicheren BigBlueButton-Server, den wir dafür nutzen wollen. Über den Link https://meetings.jugendring-jena.de/b/4kghbggxociyidf könnt ihr daran teilnehmen. Das Passwort lautet: 795890

Um die Veranstaltung gemeinsam starten zu können, werdet ihr manuell von uns freigeschalten – das kann ein kleines bisschen dauern. Deshalb bitten wir euch vorab um Geduld. Bitte seid rechtzeitig um 18 Uhr online, damit wir sicherstellen können, dass bei allen die Technik funktioniert und ggf. Probleme gelöst werden können

Während der Veranstaltung bitten wir euch, euer Mikrofon auszustellen, damit es keine Rückkopplungen gibt. Was bei Rückfragen zu tun ist, erklären wir dann zu Beginn.

Die Veranstaltung wird vom Referat gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit des StuRa der FSU Jena zusammen mit dem Arbeitskreis „Prävention und Intervention Sexueller Gewalt“ der Falken Jena und einigen Genossen aus der sich gerade gegründeten antipatriarchalen Männergruppe Jena organisiert. Sie bildet den Auftakt einer kleineren Veranstaltungsreihe zum Thema „Sexuelle Gewalt und Männlichkeit“ zur der in Kürze weitere Informationen folgen.

Kim Posster – „Kritische Männergruppen“

16.10.20 / 18-21 Uhr – Carl-Zeiss-Straße 3, Hörsaal 2

Auf den ‚eigenständigen Männerstandpunkt‘ ist kein Verlaß“, resümierte ein Aktivist der autonomen, pro-feministischen Männerbewegung 1995 seine sechsjährige Erfahrung in organisierten Versuchen von cis Männern, sich mit Feminismus in ein Verhältnis zu setzen und aktiv Patriarchatskritik zu betreiben. Trotz aller Widersprüche und Zweifel schließen seine Ausführungen mit der Abschlussthese: „Profeministisch orientierte Männerorganisierung von Gruppen und Einzelnen ist kein Patentrezept, bleibt aber eine unverzichtbare Etappe auf dem Weg zur herrschaftsfreien Gesellschaft!“Heute erinnert sich fast niemand mehr an diese Bewegung, ihre Auseinandersetzungen und ihr Scheitern. Über Männlichkeit und Feminismus wird trotzdem wieder verstärkt diskutiert: „Wie wird Mann Feminist?“Dieser Frage widmen sich in den letzten Jahren nicht nur einige Veröffentlichungen, sondern vermehrt auch wieder (cis) Männer selbst z.B. in Workshops zu „Kritischer Männlichkeit“. Doch ist diese Frage überhaupt richtig gestellt? Oder bedient sie nicht vielmehr ein Bedürfnis nach einer positiven, männlichen Identität, das der Entwicklung einer antipatriarchalen Solidarität und Praxis von (cis) Männern eher im Wege steht? Der Vortrag versucht diesen Fragen nachzugehen und in der (eigenen) Geschichte (pro-) feministischer Bewegung, aktuellen Diskussionen und feministischen Analysen Antworten zu finden.

Kim Posster, Leipzig, publiziert zu Feministischem Materialismus und Pro-feministischer Männerpolitik.

Wir planen die Veranstaltung vor Ort (Carl-Zeiss-Str.3, Hörsaal 2) durchzuführen. Da wir auf Grund des Hygieneplans der Universität nur begrenzt Plätze (~80) anbieten können, würden wir bitten verbindlich für die Veranstaltung zuzusagen. Dies könnt ihr hier bei der Facebook-Veranstaltung oder per Mail an info@falken-jena.de tun.

Die Veranstaltung wird vom Arbeitskreis „Prävention und Intervention Sexueller Gewalt“ der Falken Jena und einigen Genossen aus der sich gerade gegründeten antipatriarchalen Männergruppe Jena organisiert. Sie bildet den Auftakt einer kleineren Veranstaltungsreihe zum Thema „Sexuelle Gewalt und Männlichkeit“ zur der in Kürze weitere Informationen folgen.

Offener Brief an das Café Immergrün

Unsere Intervention gegen die derweil beendete Ausstellung „The Wall“ im Café Immergrün hat es bis in die OTZ geschafft (Link s.u.). Gerne möchten wir die notwendige Debatte über das Problem des israelbezogenem Antisemitsmus vertiefen und wenden uns nochmal an das Café Immergrün:

„Liebes Team des Café Immergrün, sehr geehrter Herr Wagner,

als wir unsere Kritik an der Ausstellung „The Wall“ von Ursula Mindermann formulierten, hatten wir nicht damit gerechnet, welche Reaktionen das in der digitalen Welt auslösen würde und welch ein mediales Interesse daran erwächst.

Unsererseits erscheint es wichtig zu betonen, dass unsere Kritik nicht dem Café Immergrün bzw. seinem Team israelbezogenen Antisemitismus vorgeworfen hat, sondern sich klar auf die bei Ihnen gezeigte Ausstellung bezog. Darüber hinaus bedauern wir es inständig, wenn das Café bedroht wurde. Allerdings: Bisher wurde diese Behauptung nicht belegt und der Umstand, dass einzelne Menschen per Mail angekündigt haben, ihren Kaffee demnächst woanders trinken zu gehen, erscheint uns nicht als Drohung interpretierbar.

Wir haben den Eindruck, dass auf unsere Kritik vor allem mit Abwehrreflexen und Unterstellungen reagiert wurde: So hat uns Ursula Mindermann gleichzeitig Zensur vorgeworfen und eine Klage angedroht, was sie auch pressewirksam wiederholt hat. Darüber hinaus wurde uns beispielsweise in den sozialen Netzwerken von einem ihrer Sympathisanten unterstellt, wir würden die Verantwortung für den Holocaust den Palästinenser*innen anhängen wollen.

Uns geht es nicht um das Renommee einer Kleinunternehmerin aus Telgte mit grünem Parteibuch und Palästina-Faible, sondern um die Sache: Uns beschäftigt die Virulenz von offenem und verdecktem Antisemitismus, wie dieser sich transformiert und artikuliert. Dass es sich dabei nicht etwa um Gespenster der Vergangenheit handelt, haben unlängst die antisemitischen Ausfälle beispielsweise eines Attila Hildmanns bewiesen. Und wenn wir in Zeiten, in denen Antisemitismus wieder salonfähig wird, den Eindruck haben, dass mit diesem Problem unreflektiert umgegangen wird, sei es durch Auslassungen, Nicht-Kommentierung oder Bagatellisierung, dann möchten wir das Mindeste tun und unsere Stimme dagegen erheben.

Wir möchten diese Kontroverse gerne zum Anlass nehmen, die Debatte um das Thema »israelbezogener Antisemitismus« in Jena auszuweiten. Deshalb werden wir eine Vortragsveranstaltung mit einem*r Experten*in planen, die die Entstehung und Gegenwart von israelbezogenem Antisemitismus beleuchtet. Und an dieser Stelle wollen wir gerne den Gesprächsfaden aufnehmen und fragen, ob Sie und Ihr das gemeinsam mit uns angehen wollt und solch eine Veranstaltung in den Räumlichkeiten des Café Immergrün stattfinden kann. So wird der Ort der Kontroverse zum Ort der kritischen Auseinandersetzung.

Eure Falken Jena“

Ein kleiner Nachtrag sei noch gestattet: Derweil hat sich auch die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V., deren Vizepräsidentin Ursula Mindermann ist, in ihrem Rundbrief zum Vorgang geäußert und unterstellt uns „Drohungen, Druck und Diffamierungen“. Uns stellt sich dabei die Frage, von wem Drohungen, Druck und Diffamierungen ausgehen, wenn auf Kritik mit Klagedrohungen reagiert wird.

https://www.otz.de/regionen/jena/antisemitismus-vorwurf-gegen-ausstellung-in-jenaer-cafe-id229435602.html

Antisemitismus entgegentreten – Für die sofortige Beendigung der Ausstellung „The Wall – Bilder aus Palästina“ im Café Immergrün in Jena

Das Café Immergrün ist ein beliebter Treffpunkt für Studierende und junge Familien in Jena. Unter anderem ist es für wechselnde Kunstausstellungen an seinen Wänden bekannt. Die aktuelle Ausstellung wurde von der Vizepräsidentin der Deutsch-Palästinensischen-Gesellschaft Ursula Mindermann konzipiert, der im vergangenen Jahr die Einreise nach Israel verweigert wurde. Ein Sachverhalt, der wenig verwunderlich ist, wenn man die Botschaft der Bilder betrachtet: Parolen wie „from the river to the sea, palestine will be free“ stellen unverblümt das Existenzrecht Israels in Frage. Aussagen wie diese sind eine gängige Formel im sogenannten „israelkritischen“ Spektrum. Mit „river“ ist der Jordan gemeint und mit „sea“ das Mittelmeer. Dazwischen soll kein Israel mehr existieren, sondern nur noch Palästina. In dieser Formulierung steckt also die antisemitische Forderung nach der Auslöschung Israels. Dass dieses Bild zugleich mit einer Antikriegs-Rhetorik verniedlicht werden soll, passt in das typische Vorgehen der antizionistischen „Friedensbewegung“. Auf der Internetseite des Immergrüns wird die Ausstellung unkritisch beworben, thematisch passende Vorträge angedroht und ein ausschließlich positiver Bezug auf Mindermann und die Fotografien deutlich: http://www.cafe-immergruen.com.

Auf direkte Nachfrage wurden wir mit dem Hinweis vertröstet, dass es uns frei stehe eine Beschwerdemail zu formulieren. Dieses Angebot nehmen wir gerne wahr und möchten alle von Euch bitten, ebenfalls das Immergrün darauf hinzuweisen, was ihr von Antisemitismus haltet: cafe-immergruen@web.de.

Die Falken Jena

Einspruch gegen die Stellungnahme des Bundesverbandes zu den Zeltlagern

Mit Erstaunen haben wir den Aufruf des Bundesverbandes unter der Überschrift „Raus aus der Isolation! Sommerzeltlager 2020 ermöglichen!“ wahrgenommen. Darin geht es v.a. darum, dass angesichts der Erlaubnis kommerzieller Reiseangebote auch Zeltlager in der Jugendverbandsarbeit ermöglicht werden sollen.

Wir würden dem Bundesvorstand in der Einschätzung zustimmen, dass von den Lockerungen vor allem jene gesellschaftlichen Bereiche profitieren, mit denen Geld verdient werden kann. Während die Individuen ihre Freizeit möglichst in Selbstisolation zu Hause verbringen sollen, feiert das Kapital weiter seine Corona-Partys in Fabriken und Büros. Auch, dass gerade Schulen schrittweise für Abschlussklassen geöffnet werden, hat mehr mit dem Interesse an einem reibungslosen Nachschub an jungen Menschen für Ausbildung, FH und Universität (also für den Arbeitsmarkt) zu tun, als mit einer Sorge um das seelische und geistige Wohl der Kinder und Jugendlichen. Dabei ist wenig überraschend, dass die sozialen Kosten der Krise insbesondere von den Menschen getragen werden, die ohnehin schon gesellschaftlich benachteiligt sind – Obdachlose, Frauen*, Alleinerziehende, Migrant*innen und nicht zuletzt Kinder und Jugendlichen aus armen Verhältnissen. Bis hierhin besteht unter uns Einigkeit.

Mit dem Argument, dass angesichts der monatelangen Isolation zu Hause und dem erneut einsetzenden Schulzwang der „psychosoziale Ausgleich“ der Kinder und Jugendlichen gefährdet sei, wird nun von dem Falken-Bundesvorstand eine Freigabe von Zeltlagern gefordert. Hier spricht unser Bundesvorstand ganz als Anbieter von Ferienfreizeiten, in denen dieser Ausgleich gewährleistet wird.

Ist das alles, was wir dazu zu sagen haben?

Vorrangiges Ziel eines sozialistischen Kinder- und Jugendverbandes kann es nicht sein, sich als Fürsorge-Anbieter zu präsentieren, der hilft, den reibungslosen Schulbetrieb durch ausgleichende Freizeitangebote rasch zu ermöglichen. In Anbetracht der aktuellen Situation ist es vielmehr notwendig, der scheinbaren Normalisierung des Alltags zu widersprechen. Mit den Lockerungen gewinnt nicht nur das wirtschaftliche Leben, sprich Leistungsdruck und Konkurrenz, wieder an Fahrt. Ebenso steigt das Risiko einer Erkrankung an Covid-19. Das Statement des Bundesverbandes schweigt jedoch zu den gesundheitlichen Gefahren ganz im Geist der neuen „Corona-Müdigkeit“. Aus der Stellungnahme spricht der Wunsch, nicht den Anschluss zu verlieren, wenn im Laufgalopp die Lockerungen durch Parlamente gepeischt werden. Wir möchten hier gerne darlegen, inwiefern wir von unserem Bundesvorstand angesichts der aktuellen Lage etwas anderes erwarten, und was.

Es ist immer noch Vorsicht geboten

An der Gefährlichkeit des Virus hat sich seit dem Ausbruch in Deutschland, seit dem partiellen „Lockdown“ und seit dessen überstürzter Lockerung eigentlich nichts geändert. Was sich verändert hat ist, dass wir jetzt mehr über die Übertragungswege wissen und auch etwas mehr über die Krankheit selbst.

So wird derzeit davon ausgegangen, dass das Virus primär über den Weg der Tröpfcheninfektion übertragen wird, die v.a. bei engerem Kontakt stattfinden kann. Diese Erkenntnis ist die wissenschaftliche Grundlage für Kontaktbeschränkungen, Mindestabstand und Maskenpflicht.

Wir wissen außerdem, dass die Krankheit für einen Großteil der Menschen nicht tödlich verläuft. Ein Anteil von 22-43[1] % der Infizierten hat sogar keine Symptome. Das heißt aber nicht, dass wir uns mit Vertrauen auf die Statistik zurücklehnen können. Zum einen ist bisher nicht geklärt, wer im Falle einer Infektion einen schweren und wer einen leichten Krankheitsverlauf zu erwarten hat, auch wenn Alter und Vorerkrankung sicher eine Rolle spielen. Zum anderen ist immer noch wenig bekannt über Verlauf und Langzeitfolgen der Erkrankung. Eine neue Studie der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf hat jetzt ergeben, dass Covid-19 (die durch den Sars-CoV-2 Virus ausgelöste Krankheit) nicht nur die Lunge, sondern gleich mehrere Organe betrifft, nämlich auch Gehirn, Nieren, Herz und Blut. Hier kann es zu dauerhaften Schäden kommen. Auch bei asymptomatischen Personen wurden nach überstandener Erkrankungen bisweilen noch erschreckend niedrige Sauerstoffwerte im Blut gemessen.[2]

Beunruhigend sind zudem die aktuellen Meldungen über eine neue Kinderkrankheit, von der stark vermutet wird, dass sie im Zusammenhang mit dem neuartigen Corona-Virus steht: In einigen wenigen Fällen kann die Infektion neuesten Erkenntnissen zufolge zu einer Erkrankung führen, die dem sogenannten „Kawasaki“-Syndrom ähnelt, einer Überreaktion des Immunsystems, an der Kinder schwer erkranken und sogar sterben können.[3]

Zudem zeigt sich immer deutlicher, dass es eine starke soziale Komponente der Pandemie gibt. Insbesondere strukturell benachteiligte Gruppen sind von der Erkrankung am schlimmsten betroffen. Sie haben ein höheres Risiko, sich mit Covid-19 zu infizieren und gleichzeitig eine höhere Wahrscheinlichkeit, an den Folgen der Erkrankung zu sterben. Armut macht krank, auch und gerade in Zeiten einer globalen Pandemie. Kinder und Jugendliche aus armen Verhältnissen müssen daher besonders vor Infektionen geschützt werden.[4]

Für uns steht daher fest: Angesichts der Pandemie ist weiterhin größte Vorsicht geboten.

Die Lockerungen sind im Interesse der Wirtschaft

Eine vernünftige, nicht nach Maßgabe des Profits eingerichtete Gesellschaft könnte und würde auf eine Pandemie anders reagieren, als es derzeit der Fall ist. Während man in einer Gesellschaft, die auf die Bedürfnisse der in ihr lebenden Menschen ausgerichtet wäre, ohne größere Probleme die Produktion und den gesellschaftlichen Kontakt auf ein geringeres Maß reduzieren könnte, muss in dieser kapitalistischen Gesellschaft die Gesundheitsvorsoge gegen die ökonomischen Kosten, also die ausgefallenen Profite, abgewogen werden.

Entsprechend stellte das deutsche Kapital die Bundesregierung Anfang Mai vor ein Ultimatum[5], um die Einschränkungen wieder zurückzunehmen, damit so bald wie möglich wieder Waren produziert und gewinnbringend abgesetzt werden können. Seit Ostern werden denn auch im Laufschritt viele Einschränkungen wieder zurück genommen, während Virolog*innen und Epidemiolog*innen davor warnen, dass sich das Virus auf diese Weise schnell in ganz Deutschland ausbreiten könnte und bei einem erneuten Anstieg der Infektionen auch diejenigen Landstriche massiv betroffen sein könnten, die bislang eher verschont geblieben sind.[6]

Anstatt diesen Vorgang zu skandalisieren und eigene Akzente zu setzen, reihen sich die Falken nun ein in den allgemeinen Ruf nach einer Rückkehr zur Normalität. Wenn alle anderen wieder so weitermachen können wie vorher, so der Ton, dürfen die Falken dabei nicht auf der Strecke bleiben!

Verbandsroutinen

Damit tun wir es dem Rest der Gesellschaft gleich. Alle Akteure, so der Soziologe Amin Nassehi, treten angesichts der Pandemie so auf, wie sie es sonst tun; alle spielen die Rollen, die sie immer gespielt haben. Die Wirtschaft will Produktion wieder zum Laufen bringen, Gastronomie und Touristik wollen, dass wieder Menschen zirkulieren und konsumieren – und die Falken wollen ihre Zeltlager weiter machen! In der Soziologie nennt man so etwas „Pfadabhängigkeit“ – ist einmal abgesteckt, wohin die Reise gehen soll, geht es immer weiter in dieselbe Richtung.

Nur weil der Rest der Gesellschaft kopflos reagiert und alle auf ihren bornierten Interessen beharren – was eben bedeutet, nicht adäquat auf die Pandemie zu reagieren – sollten wir ihnen das nicht einfach gleichtun. Stattdessen sollten wir die soziale Um- und Vorsicht walten lassen, die unserer sozialistischen Überzeugung gemäß Gesetz der gesamten Gesellschaft sein sollte.

Nun bringen Zeltlager wie alle Kontexte, in denen viele Kinder unterwegs sind, das Problem mit sich, dass Schutzmaßnahmen zur Unterbindung von Infektionsketten nur schwer einzuhalten sind. Abstand halten ist hier kaum möglich und steht sogar entgegen dem Zweck der ganzen Angelegenheit: Dass Kinder und Jugendliche sich ausleben und ihren Interessen nachgehen können, ohne ständig reglementiert zu werden. Die Zeltlager sind damit ebenfalls ein Ort, wo sich Kinder anstecken können und von wo sie Infektionen in ihr familiäres und perspektivisch auch schulisches Umfeld tragen können.

Wir denken, dass Falken einen anderen, verantwortungsbewussten Umgang mit dieser neuen Situation finden können. Das würde dann aber bedeuten, Routinen zu durchbrechen und neue Wege zu beschreiten. Denn die Pandemie ist noch lange nicht vorbei.

Wir wollen:

… dass wir zusammen kreativ werden und situationsadäquate Wege finden, den Kontakt zu den bei uns organisierten Kindern und Jugendlichen aufrecht zu erhalten und dabei das Gesundheitsrisiko auf ein Minimum zu reduzieren.

… dass die Falken ihre Stimme gegen die oben beschriebenen Vorgänge erheben. Wir wollen keine Lockerungen für das Wirtschaftswachstum um den Preis von Krankheit und Tod.

… dass die Falken die Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen aus der Klasse der Lohnabhängigen skandalisieren. Wir fordern
· eine Öffnung der Schulen nur unter Voraussetzung der Beratung mit den Schüler*innen und bei Aussetzung des Prüfungsbetriebes
· ein Solidarsemester an den Hochschulen
· Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohnausgleich für Eltern
· die unbürokratische Sicherstellung des Existenzminimums für alle
· mehr Frauenhausplätze und Notfalleinrichtungen für gefährdete Kinder

… dass die Kinder und Jugendlichen mit ihren Wünschen in der Öffentlichkeit (und auch bei uns) selbst zu Wort kommen

… uns jetzt gemeinsam dagegen organisieren, dass erst die Gesundheitskrise und in absehbarer Zukunft auch die ökonomische Krise auf uns Lohnabhängige abgewälzt werden wird.

Uns ist es wichtig zu betonen, dass wir keinesfalls dafür plädieren, abzuwarten und Tee zu trinken. Gleichzeitig haben wir auch keinen Masterplan, was für die Falken insgesamt gerade zu tun wäre. Wir sind überzeugt davon, dass die Kreisverbände selbst am besten Maßnahmen entwickeln können, die ihren konkreten Anforderungen vor Ort entsprechen und die kollektiv mit den bei uns organisierten Kindern und Jugendlichen entstehen. Wir in Thüringen sammeln zum Beispiel gerade erste Erfahrungen mit Online-Hausaufgabenhilfe, digitalen Arbeitskreisen und Wandertagen in Kleingruppen. Außerdem halten wir es gerade jetzt für wichtig, unsere Erfahrungen mit Genoss*innen zu diskutieren.

Deshalb schlagen wir vor, dass der Bundesvorstand einen Austausch zwischen den Gliederungen organisiert, in dem es darum gehen soll, wie die Falkenarbeit in Zeiten der Pandemie auf neue Füße gestellt werden kann. Wir brauchen neue Ideen, keine eingefahrenen Routinen.
Passt aufeinander auf.

Solidarische Grüße,
Eure Falken Thüringen

[1] Heinsberg-Studie und Testergebnisse der italienischen Gemeinde Vo‘. Siehe https://www.rki.de/…/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html…
[2] Notarzt über Corona: „Wir sehen 30-Jährige ohne Krankengeschichte, die Bilder der Lungen sind beängstigend“, https://www.vrt.be/…/notarzt-ueber-corona-wir-sehen-dreiss…/
[3] Auch deutsche Kinder mit schweren Entzündungsreaktionen, https://www.faz.net/…/corona-auch-deutsche-kinder-mit-schwe…
[4] Covid-19-Arzt im Interview: „Es gibt eine sehr starke soziale Komponente bei dieser Krankheit“, https://www.faz.net/…/covid-19-arzt-es-gibt-eine-sehr-stark…
[5] Wirtschaft fordert Ende des Lockdowns, https://www.tagesschau.de/…/wirtschaft-deutschland-corona-1…, Deutsche Industrie stellt Merkel Corona-Ultimatum, https://www.bild.de/…/corona-krise-deutsche-industrie-stell…
[6] Drosten und Helmholtz-Forscher warnen vor zweiter Corona-Welle, https://m.tagesspiegel.de/…/wir-muessen-extr…/25756090.html…

Unter folgendem Link könnt ihr den ursprünglichen Beitrag des Bundesverbandes finden: https://www.wir-falken.de/aktuelles/meldungen/10840011.html

Versuchter Brandanschlag auf die Jenaer SPD

In der Nacht zu Freitag kam es in Jena zu einem Brandanschlag auf das Parteibüro der SPD in der Innenstadt. Mit Hilfe eines Brandbeschleunigers wurde eine Fahne vor dem Parteibüro angezündet. Den Brandbeschleuniger fand man auf der Terrasse des Hauses, das hauptsächlich als Wohnhaus genutzt wird. Die Polizei sieht davon ab, den Brandanschlag auf die Jenaer SPD als solchen zu bezeichnen, ungeachtet dessen, dass offensichtlich niemand ausversehen mit Brandbeschleuniger loszieht und zufällig Objekte vor einem beliebigen Parteibüro anzündet. Dass keine Anwohner*innen zu Schaden gekommen sind, scheint hinsichtlich der Tatsache, dass der Brandbeschleuniger auf der Terrasse des Wohnhauses gefunden wurde, ein glücklicher Zufall zu sein.

Die Falken Jena verurteilen den Brandanschlag auf die Jenaer SPD und die Taktik der Polizei, diesen nicht als solchen einzustufen. Das Agieren der Polizei macht wieder einmal deutlich, dass das Verharmlosen des Rechtsextremismus in Thüringen Kontinuität hat.

Der Brandanschlag fügt sich in eine Grundstimmung in Thüringen ein, die, trotz des Rückruderns der als demokratisch geltenden Parteien, gegenüber allem, was nicht in das völkische Weltbild von AFD und anderen Neonazis passt, zunehmend bedrohlicher wird.

Die Verhältnisse sind angsteinflößend angesichts dessen, dass sich dieser Anschlag in weitere jüngst stattgefundene einreiht. Die Schusslöcher in den Fenstern des Parteibüros des SPD-Politikers Karamba Diaby sind als nur ein Beispiel von vielen zu nennen.

Nicht nur die parlamentarischen Auswüchse menschenfeindlicher Ideologien gilt es anzuklagen, auch die Bedrohung auf den Straßen muss als solche erkannt und ernst genommen werden.

Es gilt, sich von Angst und Ohnmacht nicht dumm machen zu lassen und weiterhin für eine bessere Welt jenseits von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu streiten und zu kämpfen.

Redebeitrag „Lieber mit Faschisten regieren, als nicht regieren“

Am heutigen Tag, gegen halb 2 wurde der FDP-Vorsitzende Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten des thüringischen Landtages gewählt. Nachdem zuvor zwei Wahlgänge ergebnislos verliefen und es der Minderheitskoalition aus Linken, SPD und Grünen nicht gelang eine Mehrheit für den bisherigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu gewinnen, ließ sich Kemmerich im dritten Wahlgang als Gegenkandidat aufstellen. Thomas Kemmerich muss in diesem Moment klar gewesen sein, dass seine Kandidatur dazu führen werde, dass die faschistische AfD, allein schon um eine weitere Legislatur Ramelows zu verhindern, am Ende für ihn Stimmen würde. Eben diese Entwicklung ist eingetreten und so wurde Kemmerich mit einer einfachen Mehrheit aus CDU, FDP und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. FDP und CDU haben dies willentlich in Kauf genommen. Ihr blinder Antikommunismus gegen einen sozialdemokratischen Bodo Ramelow wiegt offensichtlich schwerer als jedes Lippenbekenntnis gegen eine Zusammenarbeit mit Faschisten. Dass Bodo Ramelow abgewählt wurde war Kemmerich, der, falls er von dem Trick der AfD nichts wusste, immer noch die Wahl hätte ablehnen können, augenscheinlich wichtiger als das so oft proklamierte demokratische Zusammenhalten gegen die AfD. Das Kemmerich in einem Pressestatement nach der Sitzung betont er sei Anti-AfD ist blanker Hohn.

Das eine bürgerliche und rechtsoffene Partei wie die FDP mit den Faschist*innen der AfD gemeinsame Sache macht, ist besorgniserregend, verwundert uns jedoch keineswegs. Rechtsextremes Gedankengut ist in Deutschland schon lange wieder salonfähig, der bürgerliche Konsens, zu dem auch – insbesondere in Thüringen – die Linkspartei gehört, verschiebt sich kontinuierlich nach rechts. Wir erinnern uns noch gut an die Aufhebung des Winterabschiebestops durch Bodo Ramelow nach seinem Amtsantritt als Thüringer Ministerpräsident.

Obwohl uns diese Entwicklung nicht überrascht, sehen wir trotzdem eine neue politische Eskalationsstufe erreicht. Das bürgerlich-konservative Lager scheut sich nicht mehr, ganz schamlos und offen, mit Faschist*innen gemeinsame Sache zu machen. Deshalb werden wir den heutigen Anlass nutzen, um erneut, wie in den vergangenen Monaten schon so häufig, auf die Gefahr hinzuweisen, die von der AfD mit ihrer sozialchauvinistischen und rassistischen Exklusionspolitik ausgeht:

Seit ihrer Gründung 2013 hat die AfD eine beachtliche Parteikarriere hingelegt: In den vergangenen Jahren ist es ihr gelungen, in alle Landesparlamente und auch in den Bundestag einzuziehen. Dabei hat sich die AfD seit ihrer Gründung kontinuierlich radikalisiert. Treibende Kraft dahinter ist Bernd Höcke mit seiner eigenen, seit 2015 aktiven innerparteilichen Propagandaplattform ‚Der Flügel‘. Inzwischen dominiert dieser Kreis vor allem die ostdeutschen Landesverbände und war maßgeblich für beide Parteispaltungen der AfD verantwortlich: 2015 wurden Bernd Lucke und 2017 Frauke Petry als Parteivorsitzende verdrängt. Hintergrund ist Höckes Ziel die AfD einerseits als Bewegungspartei auszurichten, also statt parlamentarische Partei zu sein auch eine Bewegung auf der Straße zu haben. Das bedeutet beispielsweise den organisierten Schulterschluss mit Pegida in Dresden zu vollziehen. Andererseits geht es ihm darum, die AfD als völkisch-nationalistische Partei festzulegen, also im Kern rassistische Politik zu betreiben. Die AfD will Politik für ‚das deutsche Volk‘ machen. Das ist für sie nicht identisch mit den hier lebenden Menschen, nicht einmal mit den in Deutschland wahlberechtigten Menschen. Was Deutsch ist, ist für ‚den Flügel‘ eine Frage des biologischen und kulturellen Stammbaums.

Als ideologischer Think-Tank und Funktionärsschmiede dient dem Kreis um Höcke vor allem das ‚Institut für Staatspolitik‘ (IfS) von Götz Kubitscheck. Die dem Selbstverständnis nach ‚Intellektuellen der Neuen Rechten‘ sind ideologisch der ‚konservativen Revolution‘ der 20er Jahre verpflichtet. Diese ideologische Strömung war der gedankliche und politische Steigbügelhalter des Nationalsozialismus. Stichwortgeber dieses Denkens sind Armin Mohler, der sich selbst als Faschist bezeichnete, oder der Franzose Alain De Benoist, dessen politische Karriere in militant-faschistischen Kleingruppen begann. Es verwunderte also kein bisschen, als Höcke und Konsorten am 1. September 2018 in Chemnitz den offenen Schulterschluss mit Neonazis demonstrierten – weit über die Szenegrenzen Sachsens hinaus. Wer meint, die AfD noch in einen ‚neoliberalen‘ und ‚nationalen‘ Flügel ausdifferenzieren zu müssen, muss enttäuscht werden. Personenbezogen gibt es zwar graduelle Abstufungen, aber der Gesamtcharakter der Partei wurde in Chemnitz demonstriert.

Jetzt will sich die AfD und insbesondere Höckes ‚Flügel‘ der Sozialpolitik widmen. Was bedeutet das? Andreas Kalbitz, AfD-Chef in Brandenburg und Höckes rechte Hand im ‚Flügel‘, hielt darüber 2018 eine Rede im IfS. Er sieht ethnisch definierte Deutsche als Adressat*innen von Sozialpolitik, die Werkzeug zum „Erhalt der autochthonen Struktur unserer Gesellschaft“ sein müsse mit dem Ziel „eine weitestgehende Homogenität der autochthonen Bevölkerung“ herzustellen. In einem Satz: Sozialpolitik müsse der Reinheit des ‚deutschen Volksköpers‘ dienen. AfD-Sozialpolitik fragt nicht nach den sozialen Zumutungen und Härten die konkrete Menschen – also Dich – betreffen, sondern nach den Stellschrauben für eine einheitliche, gleichartige Gemeinschaft.

Wie diese völkische Gemeinschaft strukturiert sein soll, demonstrieren die Schwerpunkte dieser Sozialpolitik. Kalbitz betrachtet Familien und Kinder „als wichtigste Ansatzpunkte für den Erhalt unseres Landes und auch unseres Volkes.“ Mal ganz abgesehen davon, dass es in erster Linie um ethnisch-deutsche Familien geht, drückt sich hier eine patriarchale Gemeinschaftsvorstellung aus. Es geht ausschließlich um ‚klassische Familien‘, in denen Frauen den Haushalt und die Kinderbetreuung übernehmen, die Männer der Lohnarbeit nachgehen. Alleinerziehenden oder gleichgeschlechtlichen Eltern haben sie folgerichtig nichts anzubieten. Durch die Ersetzung von Sozialpolitik durch Volkstumspolitik ist es auch nur konsequent keine inhaltliche Arbeiter*innenpolitik zu verfolgen. In den vergangenen Jahren trat der Thüringer Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl, ebenfalls Höcke-Vertrauter, mit seinem ‚Alternative Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland‘ medienwirksam in Erscheinung. Das als ‚alternative Gewerkschaft‘ angepriesene Propagandaprodukt wollte im vergangenen Jahr mit großem Pomp die Betriebsräte völkisch besetzen, allerdings trat ‚ALARM‘ nicht einmal zu den Wahlen an.

Oder die nationalistische Spartengewerkschaft ‚Zentrum Automobil‘, eng verzahnt mit der ‚Identitären Bewegung‘ und Kubitschecks ‚IfS‘. Ihr Hauptgegner sind nicht schlechte Arbeitsverhältnisse oder die Betriebsleitung, sondern die ‚Monopolgewerkschaften‘. Selbsterklärter Zweck ist der Einsatz für ‚Patrioten‘, letzten Endes also die Verteidigung rassistischer und nationalistischer Positionen im Betrieb. Diese Initiativen können weder inhaltlich noch organisatorisch etwas anbieten. Wie auch, die AfD bekämpft Tariflöhne.

Ein Blick ins Ausland lässt erahnen, was geschieht, wenn die AfD ihre Politik umsetzen kann. Ihre Geschwister im Geiste in Ungarn und Österreich machen es vor. In Ungarn ist es seit 2018 möglich bis zu 400 Überstunden pro Jahr leisten zu müssen, während sich Arbeitgebende für Ausgleich oder Auszahlung bis zu drei Jahre Zeit lassen können. Und das umgarnt von rassistischer und antisemitischer Rhetorik, Gängelung der Pressefreiheit, Beschneidung demokratischer Rechte und Kampf gegen freie Kultur. In Österreich erleichterte das Parlament 2018 nachhaltig die Rahmenbedingungen durch Arbeitgeber*innen den Arbeitstag wieder auf 12 Stunden auszudehnen.

In der organisch, also biologisch, gedachten Gemeinschaft haben Arme keinen Platz, genauso wie berufliche und körperliche Selbstbestimmung von Frauen*, individuelle Lebensentwürfe, kontroverse Kultur oder Menschen verschiedener Herkunft. Mit der AfD entledigt sich das Proletariat nicht seinen Ketten, sondern seinen nicht-deutschen Nachbarn.

Indem CDU und FDP, wie es am heutigen Tag geschehen ist, gemeinsame Sache mit der AfD machen, verhelfen sie derartigen Positionen – ob gewollt oder nicht – zu zunehmender Legitimität. SPD, Grüne und Linkspartei schauen dabei bedrappelt zu. So zeigt sich diese Tage wieder einmal, das auf die etablierten Parteien – mit wenigen Ausnahmen wie der Landtagsabgeordneten und Antifaschistin Katharina König-Preuss – im Kampf gegen den Faschismus kein Verlass ist. Ebenso wenig zählen wir dabei auf den Großteil der deutschen Bevölkerung. Es bleibt uns nur, uns den Faschist*innen wo wir können entschieden entgegenzustellen. Ansonsten besteht die scheinbar unlösbare Aufgabe weiterhin darin, „weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.“

Roter Salon – Ganz normale Männer?

Der Rote Salon geht am Montag in die nächste Runde! Unser Genosse Jakob wird zu Incels und Frauenhass referieren. Kommt gern vorbei – Ab 19 Uhr im Wohni (27.01.20).

Ganz normale Männer?

Zum Zusammenhang von männlicher Sexualität und Misogynie innerhalb der INCEL-Community

Am 23 Mai 2014 erschoss der 22 Jahre alte Elliot O. Rodger im kalifornischen Isla Vista sechs Menschen und verwundete vierzehn weitere, bevor er sich selbst tötete. In einem vor der Tat veröffentlichten Manifest schrieb er von einem »Day of Retribution«, an welchem er, aufgrund eines »Entzugs von Sex und Liebe«, einen »Krieg gegen Frauen« führen werde. Die Tat von Elliot O. Rodger beeinflusste seitdem zahlreiche Nachahmungstäter, deren Verbindungsmerkmal, neben einem grassierenden Hass auf Frauen, in einem teilweise direkten, teilweise weniger direkten Bezug auf eine Internet-Community besteht, die sich unter dem Akronym INCEL (Involuntary Celibate) versammelt.

Die Mitglieder dieser Community gehen von der Annahme aus, dass in der gegenwärtigen Situation ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zugunsten von Frauen herrscht, das sich vor allem auf die Wahl von Frauen in Bezug auf potenzielle Sexualpartner auswirkt. Unter diesen Bedingungen, so die Meinung innerhalb der Community, sei es für bestimmte Männer unmöglich einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit mit einer weiblichen Partnerin haben zu können. Incels zählen sich selbst zu dieser Gruppe von Männern.

Im Vortrag wird ein Einblick in das verworrene Weltbild der Incel-Community gegeben. Zudem wird nach einer Erklärung für das Gewaltpotenzial gegenüber Frauen gesucht, dass innerhalb der Community nicht erst durch die genannten Amokläufe manifest wird. Ausgehend von der Selbstbezeichnung der Mitglieder als »unfreiwillig sexuell enthaltsam lebende Männer« wird zu diesem Zweck der Zusammenhang zwischen einer männlichen Sexualität und einem (eliminatorischen) Hass auf Frauen analysiert.

CONTENT WARNING: Um das Gewaltpotential, das von der Incel-Community ausgeht, darzustellen und zu analysieren, wird im Vortrag explizit auf (sexuelle) Gewaltphantasien von Mitgliedern der Community vor allem gegenüber Frauen sowie auf weitere menschenverachtende Einstellungen innerhalb der Community eingegangen.

Ort: Wohni
Zeit: 19 Uhr 27.1.2020
Referent: Jakob Becksmann

Jakob ist bei den Falken Jena aktiv und beschäftigte sich im Rahmen einer Masterarbeit ein Jahr lang mit dem Zusammenhang männlicher Sexualität und Misogynie innerhalb der INCEL-Community.

Wir trauern um unseren Genossen Max

Leider müssen wir Euch heute mitteilen, dass sich unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet haben. Unser Genosse Max, der zunächst noch als vermisst galt, ist bei dem Brand in Großgoltern am 30. Dezember 2019 auf tragische Weise ums Leben gekommen. Wir sind in Gedanken jetzt bei seiner Familie, seinen Angehörigen und seinen Freund*innen.

Wir dokumentieren hier unsere Trauermeldung (als PDF):

„In den frühen Morgenstunden des 30. Dezember 2019 zerstörte ein schwerer Dachstuhlbrand das Seminarhaus des Vereins Ökostation Deister-Vorland e.V. in Barsinghausen-Großgoltern. 61 Menschen konnten das Gebäude rechtzeitig verlassen. Nach den Löscharbeiten barg die Polizei einen Toten.

Wir haben einen Genossen verloren. Am frühen Nachmittag des 30. Dezember wurde aus der Befürchtung tragische Gewissheit: Bei dem Todesopfer des Brandes in Barsinghausen handelt es sich um unseren Genossen Max Lehner. Sein Tod schockiert uns und lässt uns fassungslos zurück. Unser Mitgefühl und unsere Trauer gilt seiner Familie, Angehörigen und Freund*innen.

Max war erst im November des Vorjahres zu unserer Gruppe der SJD – Die Falken Jena gestoßen. Aufgeschlossen und engagiert brachte er sich in unser Verbandsleben ein und wurde rasch Teil unserer Gruppe. Durch den Brand am 30. Dezember wurde er viel zu früh aus dem Leben und unserer Mitte gerissen.

In Barsinghausen fand wie jedes Jahr das Winterdinx-Seminar der SJD – Die Falken Bezirksverband Braunschweig mit 62 Teilnehmenden statt. Das Seminar ist ein Kooperationsprojekt des BZ Braunschweig, sowie der Landesverbände Bremen, Hamburg und Thüringen der SJD – Die Falken. Dort kommen Jugendliche und junge Erwachsene über die Silvesterzeit zusammen um sich gemeinsam mit politischen und pädagogischen Themen auseinanderzusetzen. Darunter waren auch sechs Genoss*innen aus Jena. Dank der Rauchmeldeanlage und dem schnellen Handeln der Teilnehmer*innen konnten 61 Personen das Haus rechtzeitig und unverletzt verlassen.

Unser Dank gilt den rund 140 Einsatzkräften der Feuerwehr, dem Notfallteam des Arbeiter-Samariter-Bundes, dem DRK und allen Menschen, die sich vor Ort um die Betreuung der Betroffenen gekümmert haben. Darüber hinaus der lokalen Seelsorge der Feuerwehr.

Max, wir werden dich nicht vergessen.“

Roter Tresen 29.11.19

Die Falken Thüringen laden recht herzlich zum roten Tresen am Freitag, den 29.11.19, um 20 Uhr nach Jena.
Beim Soli- Glühwein und Aperolspritz wollen wir gemeinsam das diskutieren, was uns diskutabel erscheint.

An Hand von uns und euch mitgebrachter, ausgewählter literarischer Schmankerl oder bitterernster Polemik wollen wir in offenen Runden ins Gespräch kommen. Bringt dazu also gerne Zitate und Textabschnitte mit, die ihr vorlesen, diskutieren und/oder über die ihr lachen wollt.
Auszüge aus Romanen, linksradikaler Kritik – wir haben Ideen, aber das Format lebt von Allen und Allem, was ihr mitbringt.

Ansonsten könnt ihr euch unsere Solispezialitäten auch unabhängig von den Diskussionen gönnen.

Bis dahin!
Falken Thüringen